MICHAEL Rechtsanwaelte

KG Berlin: Gängige Wertersatzklausel bei eBay stellt Bagatellverstoß dar

Die große Mehrzahl der eBay-Händler verwendet nach wie vor im Rahmen der Widerrufsbelehrung eine Wertersatzklausel, die keine Ausnahme für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Ware vorsieht. Sie weisen lediglich darauf hin, dass von der Wertersatzpflicht solche Verschlechterungen der Ware ausgenommen sind, die ausschliesslich auf einer Prüfung der Ware – wie sie in einem Ladengeschäft möglich wäre – zurückzuführen sind. In § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB ist jedoch geregelt, dass Wertersatz für eine durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung der Ware nur geschuldet wird, wenn der Unternehmer den Verbraucher spätestens vor Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit diese zu vermeiden hingewiesen hat. Da nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung eine Belehrung der Verbraucher bei eBay in Textform vor Vertragsschluss nicht möglich ist, haben mehrere Gerichte die Auffassung vertreten, dass die üblicherweise verwendete Wertersatzklausel rechtswidrig ist.

Diese Auffassung teilt auch das KG Berlin. Im Gegensatz zum Landgericht Karlsruhe (Beschluss vom 8.8.2007 – 13 O 76/07) und OLG Stuttgart (Beschluss vom 04.02.2008 – Az. 2 U 71/07) hat das KG Berlin nun aber mit Beschluss vom 11.04.2008 (Az. 5 W 41/08) entschieden, dass ein solcher Verstoß als nicht verfolgenswerte Bagatelle i.S.v. § 3 UWG anzusehen sei. Wer wegen der gängigen Wertersatzklausel eine Abmahnung erhält, hat nunmehr zwei obergerichtliche Entscheidungen auf seiner Seite, das KG Berlin und auch das OLG Hamburg (Urteil vom 19.06.2007 – Az. 5 W 92/07), nach dessen Auffassung die Wertersatzklausel sogar den gesetzlichen Anforderungen genügt. Eine Verteidigung gegen eine solche Abmahnung ist daher nicht ohne Aussicht auf Erfolg.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das KG Berlin ausgeführt, dass der Wettbewerbsverstoß nicht geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer i.S.v. § 3 UWG mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die durch § 312c Abs. 1 BGB geschützten Informationsinteressen der Verbraucher würden durch die Wertersatzklausel nur in geringem Umfang berührt, da die Belehrungslücke auf einen so engen Bereich begrenzt sei, dass auch nur von einer unerheblichen Beeinträchtigung auszugehen sei. Die Widerrufsbelehrung lasse den Verbraucher zwar darüber im Unklaren, dass Wertersatzansprüche wegen einer durch Ingebrauchnahme erfolgten Verschlechterung der Ware auch dann nicht in Betracht kommen, wenn er die Ware nicht nur, wie ihm das etwa in einem Geschäft möglich ist, prüft, sondern bestimmungsgemäß in Gebrauch nimmt. Es sei jedoch anzunehmen, dass sich aufgrund dieser Unklarheit nur in Ausnahmefällen ein Verbraucher davon abhalten lasse, nach Belieben mit der gekauften Sache zu verfahren und gegebenenfalls von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen.

Auch der Schutzzweck von § 312c Abs. 1 BGB und § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV erfordere keine lückenlose Darstellung der Rechtsfolgen des Widerrufs. Zu den Rechtsfolgen des Widerrufs, über die der Unternehmer den Verbraucher zu informieren hat, gehörten nach der ausdrücklichen Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV Informationen über den Betrag, den der Verbraucher gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB für die erbrachte Dienstleistung zu zahlen hat. Weitere konkrete Angaben über den Inhalt und Umfang der Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs enthalte § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV allerdings nicht. Lege man diese Bestimmung nach ihrem Sinn und Zweck aus, erscheine die Forderung, die Rechtsfolgen des Widerrufs in allen nach dem Gesetz denkbaren Alternativen und Varianten vollständig und in allen Einzelheiten darzustellen, als zu weit gehend. Die Vorschrift des § 312c Abs. 1 BGB und § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV diene zwar dem Schutz des Verbrauchers. Ein effektiver Verbraucherschutz sei aber auch nur dann gewährleistet, wenn die Belehrung unmissverständlich und aus dem Verständnis des Verbrauchers eindeutig sei. Daraus folge, dass eine in alle Einzelheiten gehende Darstellung der Rechtsfolgen des Widerrufs ihren Informationszweck verfehle, weil sie der Verständnismöglichkeit und Auffassungsbereitschaft des durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten Verbrauchers nicht mehr gerecht werde, sondern eine Überforderung beider Seiten darstelle, die der Gesetzgeber gerade habe vermeiden wollen.

Es komme hinzu, dass mit Wirkung zum 1. April 2008 die neue Muster-Widerrufsbelehrung in Kraft getreten sei. Der Gestaltungshinweis Nr. 7 der neuen Muster-Widerrufsbelehrung weise nämlich an, in das „Muster für die Widerrufsbelehrung“ den Satz „Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten“ einzufügen, wenn ein Hinweis auf die Wertersatzpflicht gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB und eine Möglichkeit zu ihrer Vermeidung nicht spätestens bei Vertragsschluss in Textform erfolgt. Da die Dritte Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 4. März 2008 in ihrem Art. 1 eine Überleitungsregelung für die Muster nach § 14 enthält, stütze dies ebenfalls nicht die Postion des Abmahners. Wenn der Verordnungsgeber danach in Kenntnis der künftig durch den Gestaltungshinweis Nr. 7 behobenen Informationslücke in der derzeit noch gültigen Fassung der Musterwiderrufsbelehrung für einen Übergangszeitraum, d.h. bis zum 1. Oktober 2008, die Weiterverwendung des alten, lückenhaften Musters zur Belehrung der Verbraucher zulasse,sei daraus der Schluss zu ziehen, dass der Verordnungsgeber insoweit die Informationsinteressen der Verbraucher während dieses Übergangszeitraums gegenüber dem Schutz des Vertrauens der Verwender der bislang gültigen Musterwiderrufsbelehrung darauf, mit der Verwendung des Musters den gesetzlichen Anforderungen genügt zu haben, zurückstelle. Daher sei unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten die gängige Wertersatzklausel, welche dem bislang gültigen Muster der Widerrufsbelehrung weitgehend entspricht, jedenfalls bis zum Ablauf besagten Übergangszeitraums am 1. Oktober 2008 als Bagatellverstoß zu werten .

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