MICHAEL Rechtsanwaelte

BGH: Mieter muss keine Betriebkosten für Aufzug tragen, den er nicht benutzen kann

von Rechtsanwalt Christoph Wink
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

  
In seinem Urteil vom 08.04.2009 (VIII ZR 128/08) hat der BGH zu der Frage, ob ein Mieter aufgrund einer formularmäßigen Vereinbarung anteilige Betriebskosten für einen Aufzug tragen muss, der sich in einem anderen Gebäudeteil befindet und mit dem er seine Wohnung nicht erreichen kann, zugunsten des Mieters entschieden.

Zwischen den Prozessparteien war im Jahre 1991 ein Formularmietvertrag abgeschlossen worden, der folgende Regelungen enthält:

㤠3 Miete und Nebenkosten

2. Nebenkosten (z. B. Heizkostenvorschuss)
Betriebskostenvorschuß gem. § 27 der II. BVO zur Zeit 95,– DM
Heizkostenvorauszahlung zur Zeit 140,– DM

§ 4 Zahlung der Miete und der Nebenkosten

2. Die Nebenkosten für ______ werden in Form monatlicher Abschlagszahlungen erhoben und sind jährlich nach dem Stichtag vom ______ eines jeden Jahres mit dem Mieter abzurechnen. …

§ 6 Benutzung der Aufzugsanlagen und Treppenhausreinigung
1. Der Mieter ist berechtigt, vorhandene Aufzugsanlagen mitzubenutzen. …“

Die Wohnung der beklagten Mieterin befindet sich im 4. OG eines Gebäudes, welches aus einem Vorderhaus, zwei Seitenflügeln und einem Quergebäude (darin ist die Wohnung gelegen) besteht. Im Vorderhaus ist ein Aufzug vorhanden, mit dem die Wohnungen in dem Quergebäude jedoch nicht erreicht werden können.

Aus diesem Grunde weigerte sich die Beklagte, die in den Betriebskostenabrechnungen der Klägerin für die Jahre 2002 bis 2005 enthaltenen Aufzugskosten zu bezahlen. Die Klägerin, die die Rückstände auf dem Klagewege geltend machte, unterlag in allen drei Instanzen.

Der Bundesgerichtshof bestätigte zunächst eine vertragliche Einbeziehung der Aufzugskosten:

„Allerdings haben die Parteien entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung in § 3 Nr. 2 des Mietvertrags grundsätzlich gemäß § 556 Abs. 1 BGB vereinbart, dass die Beklagte Betriebskosten im Sinne von § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung (im Folgenden: II. BV) zu tragen hat. Nach der Rechtsprechung des Senats genügt für die Berechtigung zur Umlegung von Betriebskosten eine Verweisung im Mietvertrag auf die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV, sofern es sich nicht um „sonstige Betriebskosten“ im Sinne von Nr. 17 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV handelt (Senatsurteile vom 27. Juni 2007 – VIII ZR 202/06, NJW 2007, 3060, Tz. 19, und vom 7. April 2004 – VIII ZR 167/03, NJW-RR 2004, 875, unter II 1 b bb). Der Verweis auf § 27 II. BV findet sich in dem Mietvertrag der Parteien zwar nur im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Betriebskostenvorschusses. Dadurch wird jedoch für den Mieter hinreichend deutlich, dass er Betriebskosten im Sinne der in § 27 Abs. 1 II. BV enthaltenen Definition zu tragen hat und dass es sich bei dem Vorschuss um Abschlagszahlungen auf solche Betriebskosten handelt.“

Diese Einbeziehung verstoße AGB-rechtlich auch nicht gegen das Transparenzgebot: 

„Die Vereinbarung zur Übernahme der Betriebskosten durch den Mieter wird ferner nicht dadurch unklar (§ 307 Abs. 1 Satz 3 BGB), dass der Mietvertrag nur eine Bezugnahme auf § 27 II. BV und nicht zugleich auf die Anlage 3 zu dieser Vorschrift enthält, in der die umlagefähigen Betriebskosten, unter anderem die Kosten des Betriebs des maschinellen Personen- oder Lastenaufzuges (Nr. 7), aufgeführt sind. Die Maßgeblichkeit dieser Aufstellung ergibt sich erkennbar daraus, dass § 27 Abs. 1 Satz 2 II. BV in der zur Zeit des Vertragsabschlusses der Parteien geltenden Fassung unmittelbar auf diese Anlage 3 verwiesen hat.“

Eine Verpflichtung der Übernahme der anteiligen Betriebskosten für den – seitens der Mieterin nicht nutzbaren – Aufzug verneinte der Bundesgerichtshof indessen mit folgenden Gründen (Hervorhebungen durch den Verfasser):

„Mit der Vereinbarung in § 3 Nr. 2 des Mietvertrages hat die Klägerin der Beklagten jedoch nicht wirksam anteilige Kosten der im Vorderhaus befindlichen Aufzugsanlage auferlegt. Dabei kann offen bleiben, ob sich diese Beschränkung der Umlagevereinbarung schon im Wege der Auslegung der genannten Mietvertragsklausel ergibt, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Jedenfalls würde die Beklagte durch eine Verpflichtung zur anteiligen Übernahme der Aufzugskosten unangemessen benachteiligt, so dass eine solche Bestimmung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam wäre.

a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 II. BV sind allerdings Betriebskosten alle Kosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Dazu gehören hier auch die Aufzugskosten, unabhängig davon, ob man das Quergebäude, in dem sich die Wohnung der Beklagten befindet, – wie das Berufungsgericht – als selbständiges Gebäude betrachtet, das mit den übrigen Gebäuden auf dem Grundstück „W. “ lediglich eine Wirtschaftseinheit bildet, oder ob es sich dabei – wie die Revision geltend macht – um einen Teil eines einheitlichen Gebäudes handelt, das aus Vorderhaus, Seitenflü-geln und Quergebäude besteht.

b) Es ist jedoch anerkannt, dass an Kosten für Einrichtungen, die einzelnen Mieter zur alleinigen Nutzung überlassen sind, die „ausgeschlossenen“ Mieter nicht beteiligt werden dürfen (Senatsurteil vom 26. Mai 2004 – VIII ZR 135/03, WuM 2004, 399, unter II 2, für Gartenflächen; KG, GE 2005, 1424, 1425, für Heizungsanlagen; OLG Düsseldorf, DWW 2000, 54, für Aufzugsanlagen; MünchKommBGB/Schmid, 5. Aufl., § 556a Rdnr. 8; Ehlert, in: Bamberger/ Roth, 2. Aufl., § 556a Rdnr. 13). Wenn etwa ein Aufzug nur in eine Dachgeschosswohnung führt, hat folglich der Mieter dieser Wohnung die Aufzugskosten allein zu tragen (Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., § 556a BGB Rdnr. 101).

Entsprechendes muss gelten, wenn der Aufzug nur einem Teil der Mieter eines Gebäudes oder einer Wirtschaftseinheit zur Verfügung steht. Auf die Mieter der übrigen Wohnungen, die durch den Aufzug nicht erschlossen werden in dem Sinne, dass von dem Aufzug aus kein Zugang zu den Wohnungen besteht, können Aufzugskosten deshalb nicht umgelegt werden (LG Berlin, GE 2005, 1489; Staudinger/Weitemeyer, BGB (2006), § 556a Rdnr. 26; Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 535 Rdnr. 89). So liegt der Fall hier. Die Woh-nung der Beklagten ist nach den unangegriffen gebliebenen tatrichterlichen Feststellungen mit dem Aufzug, der sich im Vorderhaus befindet, nicht zu erreichen.

c) Dadurch unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von dem Fall des Erdgeschossmieters, dessen Wohnung mit dem Aufzug erreicht werden kann, auch wenn er ihn wegen der Lage seiner Wohnung faktisch nicht nutzt. Für diesen Fall hat der Senat (Urteil vom 20. September 2006 – VIII ZR 103/06, NJW 2006, 3557, Tz. 12 ff.) ausgesprochen, dass der Erdgeschossmieter eine Beteiligung an den Aufzugskosten aufgrund eines einheitlichen, generalisierenden Maßstabs AGB-rechtlich hinzunehmen hat, weil es naheläge, an-dernfalls auch bei den Mietern der Wohnungen in den höher gelegenen Etagen nach dem Grad der tatsächlichen Nutzung zu differenzieren, der damit angestrebten möglichst weitgehenden Umlagegerechtigkeit aber Gründe der Praktikabilität und der Transparenz der Abrechnung entgegenstehen.

Die Grenze der Zumutbarkeit einer generalisierenden Betrachtungsweise für den Mieter wird jedoch überschritten, wenn er einen Aufzug nicht nur tatsächlich nicht nutzt oder dafür kein Bedürfnis hat, sondern wenn seine Wohnung mit dem Aufzug überhaupt nicht erreicht werden kann.“

 

Anmerkung

Betriebskostenstreitigkeiten beschäftigen zunehmend die Gerichte, viele Fragen sind nach wie vor umstritten. Für den Bereich der Aufzugskosten hatte der BGH mit dem zitierten Urteil vom 20.09.2006 (VIII ZR 103/06) bereits entschieden, dass der Mieter einer Erdgeschosswohnung, der einen im Gebäude befindlichen Aufzug überhaupt nicht nutzt, gleichwohl aufgrund einer formularmäßigen Vereinbarung zur Kostentragung herangezogen werden kann.

Hiervon nimmt der BGH indessen eine ausdrückliche Abgrenzung vor: Kann der Mieter den Aufzug – wie hier – überhaupt nicht benutzen, scheidet eine Kostentragungspflicht aus. Maßgeblich ist damit nicht der Nutzungswille, sondern vielmehr die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit (ist der Mieter von der Leistung „ausgeschlossen“ ?).

Offen läßt der BGH – da im Verfahren nicht thematisiert – die Frage, ob etwas anderes dann gelten kann, wenn der Mieter den Aufzug ggf. zum Erreichen von Gemeinschaftsräumen, Kellern, etc. nutzen kann:

„Ob etwas anderes gilt, wenn dem Mieter der Aufzug ungeachtet dessen jedenfalls zur Verfügung steht, um etwa einen seiner Wohnung zugewiesenen Keller oder eine Gemeinschaftseinrichtung zu erreichen (vgl. LG Berlin, GE 2007, 54), kann dahinstehen, weil dafür im vorliegenden Fall nach den tatrichterlichen Feststellungen keine Anhaltspunkte bestehen.“ 

Für diesen Fall wird eine Kostentragungspflicht zu bejahen sein: insoweit besteht die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, der Aufzug dient der Nutzung des Vertragsobjekts (zu dem regelmäßig auch die Neben- und Gemeinschaftsräume gehören), was die Anwendung der Kriterien, die der BGH zum „Erdgeschoss-Mieter“ gebildet hat, nahelegt.

Linkhinweis

Der Volltext der Entscheidung vom 08.04.2009 (VIII ZR 128/08) kann über die Homepage des Bundesgerichtshofs (www.bundesgerichtshof.de) abgerufen werden.

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