BVerfG: Gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss muss Mindestma
Im Zusammenhang mit der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei hat sich die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts erneut zu den Darlegungsanforderungen an einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss geäußert.
Die Beschwerdeführer verteidigten einen Mandanten in einem Strafverfahren vor einer großen Strafkammer des Landgerichts. Der Kammer gehörte ein Richter an, der den Mandanten in einem früheren Verfahren verteidigt hatte. Der Mandant lehnte den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab, unter anderem weil ihm in dem früheren Verfahren gravierende Fehler unterlaufen seien. In der Folgezeit leitete die Staatsanwaltschaft gegen die Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Nötigung ein. Das Amtsgericht ordnete die Durchsuchung der Kanzleiräume der Beschwerdeführer an. Die bisherigen Ermittlungen hätten Anhaltspunkte ergeben, dass die Beschwerdeführer durch Recherchen im persönlichen Lebensbereich und in Bezug auf die frühere Anwaltstätigkeit des Richters auf diesen Druck ausüben wollten, damit er sich selbst für befangen erkläre. Das Landgericht verwarf die Beschwerde unter Hinweis darauf, dass eine dritte Person dem Richter in einem Anruf nahe gelegt habe, sich aus dem Strafverfahren gegen den Mandanten der Beschwerdeführer zurückzuziehen, weil sonst kompromittierende Veröffentlichungen über das Privatleben desRichters drohten.
Die gegen die Durchsuchungsanordnung gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung verletzen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
In einem Durchsuchungsbeschluss muss der Ermittlungsrichter ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten schildern, das die Voraussetzungen eines Strafgesetzes erfüllt. Die Schilderung braucht nicht so vollständig zu sein wie die Sachverhaltsdarstellung in einer Anklage oder einem Urteil. Es müssen aber ein Verhalten oder sonstige Umstände geschildert werden, die alle wesentlichen Merkmale des Straftatbestandes erfüllen. Nur wenn der zur Kontrolle des Eingriffs berufene Richter sich den in Frage kommenden Straftatbestand vergegenwärtigt, kann die Verhältnismäßigkeit vollständig geprüft werden, weil die Zumutbarkeit des Eingriffs auch von der Schwere der vorgeworfenen Tat abhängt.
Der Vorwurf einer versuchten Nötigung verlangt – in Abgrenzung zur straflosen Vorbereitungshandlung – ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes. Dazu muss der Täter mit der Anwendung der Nötigungsmittel beginnen. Das Amtsgericht hat nicht dargelegt, dass die Beschwerdeführer irgendetwas unternommen hätten, um dem Richter zu drohen. Als ihnen angelastetes Verhalten werden Recherchen im persönlichen Lebensbereich des Richters genannt. Als Drohung hätte der Richter dieses Verhalten allenfalls dann verstehen können, wenn es ihm
bekannt gewesen wäre. Das Amtsgericht legt aber nicht dar, dass die Beschwerdeführer damit begonnen hätten, es ihm zur Kenntnis gelangen zu lassen. Das Landgericht behebt diesen Mangel nicht durch den Verweis auf den Anruf einer dritten Person bei dem Richter, die kompromittierende Veröffentlichungen in Aussicht gestellt habe. Es hätte einer Schilderung bedurft, auf welche Weise die Beschwerdeführer diesen Anruf veranlasst haben könnten. Die befassten Gerichte schildern zudem keinen Tatplan oder ein Verhalten, mit dessen Ausführung begonnen worden wäre, das als
eine verwerfliche Nötigungshandlung bewertet werden könnte. Den Beschwerdeführern wird angelastet, den Ausschluss des früher als Rechtsanwalt tätigen Richters aus einem Strafverfahren gegen dessen früheren Mandanten zu betreiben. Um den mit einer Durchsuchung von Kanzleiräumen verbundenen schwerwiegenden Eingriff in die räumlich geschützte Sphäre der Berufsausübung eines Rechtsanwalts rechtfertigen zu können, hätten die Gerichte sorgfältiger erwägen müssen, ob es sich dabei um ein erlaubtes Prozessverhalten im Interesse des Mandanten handelte.