Eine Vollzeiterwerbstätigkeit schließt die Berücksichtigung als Kind nicht aus (Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs)
Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Juni 2010 III R 34/09 ist ein Kind, das auf einen Ausbildungsplatz wartet oder sich zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet, auch für die Monate beim Kindergeldberechtigten als Kind zu berücksichtigen, in denen es einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht. Bei der Ermittlung der kindergeldschädlichen Einkünfte und Bezüge des Kindes sind daher dessen Einkünfte aus der Vollzeiterwerbstätigkeit einzubeziehen.
Anspruch auf Kindergeld besteht nur für ein Kind, das nach § 32 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich zu berücksichtigen ist. Ein volljähriges Kind wird z. B. berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird, sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c EStG). Zudem dürfen die Einkünfte und Bezüge des Kindes in den Monaten, in denen diese Voraussetzungen vorliegen, einen bestimmten Betrag den sog. Grenzbetrag (z. Zt. 8.004 € im Kalenderjahr) nicht übersteigen (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 6 EStG).
Nach bisheriger Rechtsprechung war ein Kind, das in der Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder während des Wartens auf einen Ausbildungsplatz einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachging, für die Monate der Vollzeiterwerbstätigkeit nicht als Kind zu berücksichtigen. Der BFH war der Auffassung, das Kind habe sich in diesen Monaten wegen der eigenen Einkünfte nicht in einer für eine Berufsausbildung typischen Unterhaltssituation befunden, die eine Entlastung der Eltern durch Kindergeld rechtfertige. Diese Rechtsprechung hatte zur Folge, dass dem Kindergeldberechtigten zwar für die Monate der Vollzeiterwerbstätigkeit kein Kindergeld zustand, das Kindergeld aber möglicherweise für die übrigen Monate zu gewähren war, wenn die in diesen Monaten erzielten Einkünfte und Bezüge den (anteiligen) Grenzbetrag nicht überschritten.
Diese Rechtsprechung hat der BFH aufgegeben. Zwar soll Kindergeld nur in den Fällen gewährt werden, in denen Eltern wie für ein Kind in Ausbildung typischerweise Unterhaltsaufwendungen entstehen. Ob ein Kind wegen eigener Einkünfte typischerweise nicht auf Unterhaltsleistungen der Eltern angewiesen ist, hängt aber nach der gesetzlichen Regelung nicht von der finanziellen Situation des Kindes im jeweiligen Monat ab. Vielmehr nimmt der Gesetzgeber eine typische Unterhaltssituation dann an, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes im Kalenderjahr den am Existenzminimum eines Erwachsenen ausgerichteteten Jahresgrenzbetrag nicht übersteigen bzw. den anteiligen Betrag, wenn das Kind z. B. nur während eines Teils des Jahres zu berücksichtigen ist. Bei der Grenzbetragsprüfung sind daher alle Einkünfte des Kindes in dem maßgebenden Zeitraum anzusetzen unabhängig davon, ob sie aus einer Vollzeit- oder ein Teilzeiterwerbstätigkeit stammen. Dies kann wie im Streitfall dazu führen, dass kein Anspruch auf Kindergeld besteht, wenn das Kind während der Monate, in denen es auf einen zugesagten Ausbildungsplatz wartet, noch berufstätig ist und seine Einkünfte wegen der Einbeziehung des Arbeitslohns für diese Monate insgesamt über dem Grenzbetrag liegen. Entsprechend hat der BFH bislang auch schon die Fälle entschieden, in denen das Kind neben einer Ausbildung einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht.
Quelle: Pressestelle des Bundesfinanzhofs
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