MICHAEL Rechtsanwaelte

LG Bückeburg: Fehlerhafte Widerrufsbelehrung ist kein Grund zur Abmahnung!

Nach Auffassung des LG Bückeburg soll eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung in der Regel einen nur unerheblichen Wettbewerbsverstoß darstellen (Urteil vom 22.04.2008, Az. 2 O 62/08). Wenn sich diese Rechtsauffassung durchsetzen sollte, wären sämtliche Abmahnungen wegen einer falschen Widerrufsbelehrung unbegründet. Die Abmahner könnten dann auch keine Abmahnkosten mehr verlangen. Allerdings steht die Entscheidung des LG Bückeburg im klaren Widerspruch zur derzeit vorherrschenden Rechtsprechung. Mit Ausnahme des nun ergangenen Urteils des LG Bückeburg haben bislang alle Gerichte entschieden, dass eine falsche Widerrufsbelehrung grundsätzlich einen erheblichen Wettbewerbsverstoß begründe, da der Verbraucher durch eine unrichtige Widerrufsbelehrung von der Wahrnehmung seines Widerrufsrechtes abgehalten werden könne. Bei dem nun ergangenen Urteil des LG Bückeburg handelt es sich daher um eine Einzelentscheidung, die nicht verallgemeinerungsfähig ist.

Das LG Bückeburg hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Verwender einer unrichtigen Widerrufsbelehrung nicht in erster Linie seinen Kunden oder Mitbewerbern schade, sondern sich selbst, da eine nicht ordnungsgemäß erteilte Widerrufsbelehrung nach § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB dazu führt, dass der Verbraucher das Rechtsgeschäft unbefristet, also auch noch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist widerrufen kann. Die Gefahr, dass ein Verbraucher durch eine unrichtige Widerrufsbelehrung von der Wahrnehmung seines Widerrufsrechtes abgehalten wird, bestehe zwar; Sie dürfe bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf die geänderten Lebensverhältnisse aber auch nicht überschätzt werden. Angesichts der in den letzten Jahren erfreulicherweise fortschreitenden und immer besser werdenden Aufklärung der Verbraucher könne das Bestehen eines Widerrufsrechtes bei bestimmten Rechtsgeschäften, insbesondere bei solchen im Internet- und im sonstigen Versandhandel, heute als allgemein bekannt angesehen werden. Verbraucher neigten daher inzwischen in der Regel nicht zu der irrtümlichen Annahme, ein Rechtsgeschäft könne nicht widerrufen werden, sondern eher dazu, ein Widerrufsrecht auch bei Geschäften anzunehmen, bei denen ein solches Recht gar nicht besteht.

Daneben hat das LG Bückeburg noch zu folgenden wettbewerbsrechtlichen Fragen Stellung genommen:

  • Rechtsmissbräuchlichkeit einer Abmahnung: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war nach Auffassung des LG Bückeberg bereits unzulässig, da es die Abmahnung des Verfügungsklägers als missbräuchlich einordnete. Dabei wies das Gericht darauf hin, dass eine umfangreiche Abmahntätigkeit allein noch kein Indiz für einen Missbrauch darstelle. Ein solcher sei aber dann anzunehmen, wenn die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann. Ein Indiz dafür liege vor, wenn sich der für die Parteien sachlich relevante Markt nur ganz geringfügig deckt und deshalb die Gefahr, potenzielle Kunden an den Wettbewerber zu verlieren und Umsatz- und Gewinneinbußen zu erleiden, extrem gering ist. Ein Vorgehen im Wege der Abmahnung und einstweiligen Verfügung sei schließlich mit einem erheblichen Arbeitsaufwand und einem nicht unerheblichen Kostenrisiko verbunden. Nach Auffassung des Gerichts würde ein Unternehmer, der tatsächlich überwiegend ein Interesse an einem lauteren Wettbewerb sowie an der ungestörten Ausübung seiner eigenen Geschäftstätigkeit besitzt und nicht ein Interesse an der Verursachung möglichst hoher Abmahn- und Rechtsverfolgungskosten, ein solches Kostenrisiko bei kaufmännischer Abwägung der Vor- und Nachteile vernünftigerweise niemals eingehen. Weiterhin hat das Gericht ausgeführt, dass für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen auch der Umstand spreche, dass in der Abmahnung Rechtsanwaltskosten geltend gemacht würden, die nach einem abenteuerlich überhöhten Gegenstandswert (im entschiedenen Fall: 100.000,- €) berechnet werden. Wenn in dem Abmahnschreiben dann auch noch die Rede davon sei, dass es sich um einen „für Fälle dieser Art geringen“ Streitwert handeln soll, grenze ein solches Vorgehen sogar an einen strafbaren Betrug und eine ebenso strafbare Gebührenüberhebung (§ 352 StGB). Jedenfalls könne die Annahme eines deutlich überhöhten Wertes einzig und allein mit dem Interesse an der Erzielung möglichst hoher Gebühren erklärt werden.

  • Angabe einer nicht mehr gültigen Rechtsgrundlage in der Widerrufsbelehrung: Der Abgemahnte hatte im Rahmen der Widerrufsbelehrung angegeben, dass ein Widerrufsrecht gemäß § 13 Fernabsatzgesetz bestehe. Diese Formulierung hat der Verfügungskläger mit der Begründung angegriffen, dass § 13 Fernabsatzgesetz nicht mehr gültig ist. Darin sah das LG Bückeburg jedoch keinen erheblichen Wettbewerbsverstoß, da entscheidend sei, dass der Verbraucher überhaupt auf das Bestehen des Widerrufsrechtes hingewiesen werde. Die Angabe der Rechtsgrundlagen sei kein zwingender Bestandteil der nach § 355 Abs.2 BGB vorgeschriebenen Widerrufsbelehrung. Soweit ein Verbraucher sich tatsächlich die Mühe machen sollte, die angegebenen Vorschriften in einem Gesetzestext oder gar einem Gesetzeskommentar nachzulesen, werde er alsbald feststellen, dass diese Vorschriften nicht mehr gelten und durch welche neuen, in der Sache im wesentlichen gleichen Regelungen sie ersetzt wurden.

  • Werbung mit der Angabe „versicherter Versand“: Nach Auffassung des LG Bückeburg sei es auch nicht wettbewerbsrechtlich zu beanstanden, wenn ein ein Unternehmer damit wirbt, dass die Ware im versicherten Versand verschickt wird. Es handele sich nicht um eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten, da nicht feststellbar sei, dass die im Versandhandel tätigen Unternehmen ihre Waren in der Regel versichert versenden. Für den Kunden sei diese Angabe deshalb nicht nicht irreführend. Anders sieht dies allerdings das LG Hamburg (Beschluss vom 06.11.2007 – Az.: 315 O 888/07). Da der Händler gemäß § 474 Abs. 2 BGB ohnehin das Versandrisiko trägt, stellt die herausgehobene Werbung mit dieser Aussage nach Auffassung des LG Hamburg eine unlautere Werbung mit Selbstverständlichkeiten dar.

  • Abweichende Angaben über die Versandkosten: Ein Wettbewerbsverstoß werde auch nicht dadurch begründet, dass ein Unternehmer abweichende Angaben über die Versandkosten macht. Wenn überhaupt, erleide nicht der Verbraucher, sondern der Unternehmer durch diesen Widerspruch einen Nachteil. Denn bei nicht eindeutigen Angaben zur Höhe der Versandkosten fehle es an einem wirksamen Angebot des Unternehmers und damit an einer vertraglichen Einigung über die Übernahme der Versandkosten durch den Besteller, so dass der Unternehmer die Ware auf seine Kosten an den Besteller senden müsse.

  • Gleichzeitige Verwendung einer Widerrufsbelehrung und einer Rückgabebelehrung: Wenn ein Unternehmer dem Verbraucher sowohl ein Widerrufsrecht als auch ein Rückgaberecht im Sinne des § 356 BGB einräumt, stelle dies auch keinen Wettbewerbsverstoß dar. Nach dem Gesetz könne das Widerrufsrecht durch ein Rückgaberecht ersetzt werden. Dies bedeutet aber nicht, dass sich diese beiden Rechte zwingend gegenseitig ausschließen. Dem Unternehmer sei es gesetzlich nicht verwehrt, seinen Kunden dadurch einen Vorteil zu verschaffen, dass er neben dem Widerrufsrecht zusätzlich auch ein Rückgaberecht gewährt.

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