MICHAEL Rechtsanwaelte

OLG Celle: Mitdarlehensnehmer können sich nicht auf Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrags wegen finanzieller Überforderung berufen

Mit einer weiteren bankrechtlichen Entscheidung hat das OLG Celle am 23.01.2008 (3 U 180/07) für Recht erkannt, dass sich „echte Mitdarlehensnehmer“ nicht wie Bürgen auf eine Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrags wegen einer finanziellen Überforderung berufen können.

Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin und ihr Ehemann mit der beklagten Bank einen Darlehensvertrag geschlossen und die ausbezahlte Summe an den in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Sohn des Ehemannes weitergeleitet. Zur Sicherung der Rückzahlungsansprüche aus dem Darlehensvertrag traten die Klägerin und ihr Ehemann ihre Ansprüche aus einer Lebensversicherung an die Beklagte ab. Nachdem der Sohn, der sich gegenüber der Beklagten ebenfalls zur Rückzahlung des Kredits verpflichtet hatte, mit der Rückzahlung in Verzug geraten war, kündigte die Beklagte den Darlehensvertrag und verwertete die als Sicherheit bestellte Lebensversicherung. Im Verfahren verlangte die Klägerin die ausbezahlte Versicherungssumme von der Beklagten zurück. Sie vertrat die Auffassung, dass der Darlehensvertrag wegen einer krassen finanziellen Überforderung nichtig sei, die Grundsätze des BGH für Bürgschaftsverpflichtungen naher Angehöriger seien zu ihren Gunsten anwendbar, weil sie den Kredit lediglich aufgrund emotionaler Verbundenheit für ihren Stiefsohn mit aufgenommen habe. Sie selbst sei zur Rückführung des Darlehens nicht in der Lage und könne nicht einmal die laufend anfallenden Zinsen aufbringen.

Der Klage erteilte das OLG (entgegen der Vorinstanz) eine Absage. Es führte aus:

„… 

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH WM 2005, 418 ff.) ist die Frage, ob die Klägerin als echte Darlehensnehmerin für die Rückführung des Kredits haftet oder ob sie sich – wie eine Bürgin – auf die Grundsätze der Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverpflichtungen naher Angehöriger berufen kann, davon abhängig, ob die Klägerin als gleichberechtigte Vertragspartnerin neben ihrem Ehemann einen eigenen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta hatte und deshalb gleichgründig zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein sollte. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist als echter Mitdarlehensnehmer ungeachtet der Bezeichnung im Vertrag derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes sachliches oder auch persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie als im Wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (vgl. BGHZ 146, 37, 41 m. w. N.).

bb) Nach dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei echten Mitdarlehensnehmern eine Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages wegen einer finanziellen Überforderung des Darlehensnehmers grundsätzlich nicht in Betracht. Unter Beachtung der Grundsätze der Privatautonomie muss jeder voll Geschäftsfähige selbst und in eigener Verantwortung beurteilen, ob er zur Erfüllung der von ihm eingegangenen Verpflichtungen in der Lage ist. Übernimmt er eine Verpflichtung, deren Erfüllung ihm ersichtlich nicht möglich ist, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtungen, sondern kann sich allenfalls in strafrechtlicher Hinsicht als Eingehungsbetrug darstellen.

cc) Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist vorliegend die Klägerin als echte Mitdarlehensnehmerin anzusehen. Aus den eigenen Erklärungen der Klägerin ergibt sich, dass sie selbst und ihr Ehemann den Kredit aus dem Interesse heraus aufgenommen haben, dem Sohn des Ehemannes zu helfen. Die Klägerin ist nicht – wie etwa in dem zitierten BGH-Fall die Ehefrau eines Firmeninhabers – einer fremden Schuld lediglich beigetreten, sondern hat bewusst und im Zusammenwirken mit ihrem Ehemann, mithin aufgrund einer gemeinsamen Entscheidung, einen Kredit aufgenommen, um den Sohn wirtschaftlich zu unterstützen. Sie hat – ebenfalls aufgrund übereinstimmender Willensbildung mit ihrem Ehemann – die zunächst ihr zur freien Verfügung ausgezahlte Darlehensvaluta dazu verwendet, diese ihrem Stiefsohn zur Verfügung zu stellen.

2. Unabhängig hiervon führt aber auch die Annahme, die Klägerin sei bloß Mithaftende für ein fremdes Darlehen, nicht zu einem Erfolg des klägerischen Begehrens. Selbst bei einer Sittenwidrigkeit der von der Klägerin übernommenen Zahlungsverpflichtung aus dem Darlehensverhältnis folgt hieraus nicht, dass der Beklagten die Verwertung der zur Sicherung ihres Rückzahlungsanspruchs abgetretenen Lebensversicherung, die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet, verwehrt wäre. Anders als bei Übernahme einer Darlehensverpflichtung, zu deren Erfüllung der Mithaftende nicht in der Lage ist und die diesen in die Gefahr einer lebenslangen Zahlungsverpflichtung bringt, geht es bei der Wirksamkeit der Abtretung von Ansprüchen aus einer bestehenden Lebensversicherung nur darum, ob der Sicherungsnehmer auf vorhandenes Sicherungsgut des Sicherungsgebers zugreifen darf. Der Bundesgerichtshof hat es unter Berücksichtigung dieser Interessenlage ausdrücklich abgelehnt, die Grundsätze über sittenwidrige Ehegattenbürgschaften auch auf die Fälle zu übertragen, in denen ein Ehegatte oder sonst Mithaftender die Hauptschuld lediglich durch Bewilligung einer Grundschuld sichert (vgl. BGHZ 152, 147 ff.). Für die vorliegende Fallgestaltung kann nichts anderes gelten, da auch hier – soweit es um die Verwertung der Lebensversicherung geht – der Klägerin keinesfalls die Gefahr einer dauerhaften Zahlungsverpflichtung droht, sondern (lediglich) vorhandenes Vermögen zu verlieren.

…“

  

Linkhinweis

Der Volltext kann über die Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen OLG (http://app.olg-ol.niedersachsen.de/efundus/index.php4) abgerufen werden.

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