MICHAEL Rechtsanwaelte

AG Hamburg-Altona: Urteil gegen „Abmahnanwalt“ Rasch

Wie der Online-Dienst Heise (www.heise.de) berichtet, hat das Amtsgericht Hamburg-Altona mit Urteil vom 11.12.2007 (316 C 127/07) einer Klage gegen die Kanzlei Rasch stattgegeben und diese zur Zahlung von Rechtsverfolgungskosten eines von der Musikindustrie und Kanzlei Rasch zu Unrecht beschuldigten Bürgers verurteilt.

Die auf Urheberrecht spezialisierte Hamburger Kanzlei Rasch hatte einem Bürger ein standardisiertes Abmahnschreiben wegen angeblich rund 700 illegal heruntergeladener und weiterverbreiteter Musikdateien geschickt. Neben der Unterlassungserklärung enthielt das Schreiben eine pauschale Schadenersatzforderung von mehreren tausend Euro als Vergleichsbetrag; ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Dortmund sei bereits eingeleitet – sollte der Abgemahnte dem Vergleich nicht zustimmen, müsste er zusätzlich noch Anwaltskosten in Höhe von mehreren zehntausend Euro tragen.

Der Abgemahnte konnte aber beweisen, dass er keine illegalen Dateien heruntergeladen hatte. Der Provider des Betroffenen hatte einen Zahlendreher in der IP-Adresse, als er diese an die Staatsanwaltschaft weitergab. Die Staatsanwaltschaft stellte daraufhin das Strafverfahren ein. Die Vertreterin des irrtümlich Verdächtigten forderte nunmehr die Kanzlei Rasch auf, alle Ansprüche fallen zu lassen und die bislang entstandenen Anwaltskosten des Betroffenen zu übernehmen. Doch diese lehnte ab.

Daraufhin wurde die Kanzlei Rasch auf Schadenersatz verklagt, das Hamburger Amtsgericht gab dem Betroffenen in vollem Umfang Recht. Im Urteil stellt Amtsrichter klar, dass ein Rechtsanwalt, der die übermittelten Daten der Staatsanwaltschaft einfach übernimmt ohne sie zu überprüfen, seine anwaltlichen Sorgfaltspflichten verletzt. Deshalb muss er die Kosten der Rechtsverfolgung übernehmen.

Zudem stelle ein rechtswidriges, weil falsches, standardisiertes Abmahnschreiben eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar. Wenn schon die Zusendung von einfachen Werbebriefen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung sei, dann gelte dies erst recht für ein Abmahnschreiben, denn die angedrohten Maßnahmen wie strafrechtliche Ermittlungen und hohe Schadenersatzsummen seien wesentlich einschneidender.

Darüber hinaus sei nach Auffassung des AG auch die Weitergabe der Personendaten an Kanzlei Rasch rechtswidrig gewesen, die Staatsanwaltschaft habe hierbei gegen die Strafprozessordung verstoßen. Insoweit bestehen möglicherweise Schadensersatzansprüche gegen das Land Nordrhein-Westfalen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Hinweis:

Wie die begrüßenswerte Entscheidung zeigt, sind die betroffenen Bürger bei einer unberechtigten Abmahnung (nunmehr wiederholt entschieden: der Fall des „Zahlendrehers“ bei der IP-Adresse) nicht schutzlos gestellt.

Sind ihnen durch die Abwehr der Maßnahmen der Abmahnenden Aufwendungen erwachsen (insbesondere Rechtsverfolgungskosten im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungverfahrens und der urheber-/zivilrechtlichen Prüfung), sind diese nach Ansicht des AG erstattungsfähig. Da es sich hierbei um die (aktive) Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs handelt, werden die für die Rechtsverfolgung anfallenden Gebühren regelmäßig auch durch eine Rechtsschutzversicherung abgedeckt sein.

Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass eine unberechtigte Abmahnung den Abgemahnten grundsätzlich auch zu Erhebung  einer sog. „negativen Feststellungsklage“ berechtigt. Diese dient der Feststellung, dass der Musikindustrie gegen den Betroffenen gerade kein urheberrechtlicher Anspruch zur Seite steht (Unterlassung/Auskunft/Schadensersatz einschließlich Ersatz der Abmahnkosten). Ein solches Vorgehen bietet sich – soweit der „Zahlendreher“ beweisbar ist – insbesondere vor dem Hintergrund der langen Verjährung urheberrechtlicher Ansprüche (drei Jahre, §§ 195 ff. BGB) an.

In jedem Fall aber ist den betroffenen Bürgern dringend anzuraten, sich umgehend mit seinem Internetprovider zwecks Klärung seiner IP-Verbindungsdaten in Verbindung zu setzen und sodann weitere Schritte rechtlich prüfen zu lassen.

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