Aktuelle Urteile zum E-Mail Marketing
Von Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL.M.
Am 08. Juli 2004 ist die UWG-Novelle in Kraft getreten. Im neuen UWG wird nun erstmals ausdrücklich geregelt, in welchem Rahmen die Zusendung von werbenden E-Mails möglich ist. Der nachfolgende Aufsatz gibt zunächst einen kurzen Überblick über die wesentlichen Änderung im UWG. Sodann wird auf die bislang vorliegenden relevanten Urteile nach dem neuen Gesetz eingegangen und abschließend ein Ausblick auf künftige Gesetzgebungsverfahren gegeben.
Für Werbetreibende, die insbesondere den Kontakt zum Endverbraucher suchen, hat die UWG-Reform eine Verbesserung gebracht. Im Rahmen bestehender Kundenbeziehungen ist es unter gewissen Voraussetzungen möglich, Kunden auf neue Produkte hinzuweisen.
Voraussetzung für die Zusendung von E-Mail-Werbung innerhalb bestehender Kundenbeziehungen ist insbesondere, dass der Adressat im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung seine E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt hat und deutlich darauf hingewiesen worden ist, dass er einer Verwendung der Adresse jederzeit widersprechen kann. Wer auf diese Weise eine E-Mail-Adresse gewonnen hat, kann sie gemäß § 7 Absatz 3 UWG zur Bewerbung ähnlicher Waren oder Dienstleistungen nutzen.
Diese Ausnahme gilt jedoch explizit nur für E-Mail-Werbung. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 21. Juli 2005 (6 U 175/04) darauf hingewiesen, dass für telefonische Werbung eine ausdrückliche Einwilligung vorliegen muss.
Im entschiedenen Fall hatte ein Versicherungsunternehmen bestehende Kunden telefonisch kontaktiert und versucht diese für eine Vertragsverlängerung bzw. ähnliche Versicherungsprodukte zu werben. Ein solches Verhalten sei wettbewerbswidrig, da der Kunde seine Telefonnummer nur zur Kontaktaufnahme im Rahmen des bestehenden Vertragsverhältnisses herausgegeben habe. Anders sei der Fall jedoch zu beurteilen, wenn zuvor über eine deutlich gestaltete Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des telefonisch werbenden Unternehmens das jeweilige Einverständnis eingeholt worden sei.
Viel diskutiert wurde im vergangenen Jahr auch das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 25. Oktober 2005 (3 U 184/05). Ein Online-Händler hatte seinen Kunden die Möglichkeit geboten, Freunde per E-Mail auf Produkte dieses Händlers hinzuweisen. Diese Produktempfehlungs-E-Mails wurden direkt über die Webseite des Händlers versandt. Neben der eigentlichen Produktempfehlung enthielten diese E-Mails auch weitere Werbung. Darin sah das Oberlandesgericht Nürnberg einen Wettbewerbsverstoß, da die Empfänger nicht zuvor in den Erhalt der E-Mail-Werbung eingewilligt hatten. Gleichzeitig betonte das Oberlandesgericht aber auch, dass eine solche Produktempfehlung wohl zulässig wäre, wenn keine weitere Werbung für den Online-Händler darin enthalten wäre.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte am 22. September 2004 (I-15 U 41/04) darüber zu entscheiden, ob bereits die einmalige Übersendung einer werbenden E-Mail einen Unterlassungsanspruch begründen kann. Die Richter bejahten dies und stellten fest, dass schon auf Grund der einmaligen Zusendung einer E-Mail vermutet werden könne, dass auch in Zukunft weitere E-Mails unverlangt zugesandt würden.
Ein gleich in mehrfacher Hinsicht beachtenswertes Urteil hat das Oberlandesgericht Hamburg am 09. September 2004 gesprochen (5 U 194/03). Kunden des Providers AOL waren Werbe-E-Mails für ein Erotikportal zugesandt worden. Wer die E-Mails verschickt hatte, ließ sich nicht mehr genau nachvollziehen. AOL nahm den aus dem Impressum des beworbenen Portals ersichtlichen Verantwortlichen in die Pflicht und gewann den Prozess. Das Gericht sah es als überwiegend wahrscheinlich an, dass die Werbe-E-Mails auch von dem beworbenen Portal versandt oder zumindest initiiert worden sind. Zwischen dem Provider AOL und dem Erotikportalanbieter sahen die Richter ein Wettbewerbsverhältnis.
Das Landgericht Berlin hatte am 02. Juli 2004 (15 O 653/03) darüber zu entscheiden, wie lange die einmal erteilte Zustimmung für die Zusendung von werbenden E-Mails Gültigkeit hat. Die Richter entschieden, dass eine Zusendung zwei Jahre nach Zustimmung nicht mehr von der Einwilligung gedeckt sei.
Die oben dargstellten Urteile sind nur ein kleiner Ausschnitt der Rechtssprechung zum E-Mail-Marketing seit der UWG-Reform. Zahlreiche Rechtsfragen sind noch ungeklärt. Viel Raum für Diskussionen lässt insbesondere die Regelung des § 7 Absatz 3 UWG (E-Mail-Werbung im Rahmen von bestehenden Kundenbeziehungen). Nach dem Gesetzestext dürfen Mailadressen verwendet werden, die „im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung“ erlangt wurden. Oft wurden bereits E-Mails im Rahmen der Verkaufsverhandlungen erlangt. Vieles spricht derzeit dafür, dass auch diese Adressen für die spätere Bewerbung ähnlicher Produkte verwendet werden dürfen. Was „ähnliche Produkte“ sind, ist ebenfalls noch nicht abschließen geklärt. Nach überwiegender Meinung sollen dazu wohl auch Zubehörteile eines Produktes zählen.
Weiteren Diskussionsstoff bringt der in der letzten Legislaturperiode eingebrachte Entwurf eines „Anti-Spam-Gesetzes“ (BT-Drucks.15/4835).
Nach dem Gesetzesvorschlag soll das Teledienstgesetz geändert werden. Wer künftig den Absender und den kommerziellen Charakter einer werbenden E-Mail verschleiert, soll mit einem Bußgeld von bis 50.000,– € bestraft werden.
Nach dem Gesetzesvorhaben soll ein Verschleiern oder verheimlichen dann vorliegen, wenn die Kopf- oder Betreffzeile so gestaltet ist, dass der Empfänger vor Einsichtnahme in den Inhalt der E-Mail keine oder irreführende Informationen über die tatsächliche Identität des Absenders oder den kommerziellen Charakter der Nachricht erhält.
Als letzte geplante Neuerung im Bereich E-Mail-Marketing ist schließlich noch die am 12. Juni 2005 in Kraft getretene Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken der Europäischen Union zu erwähnen. Die entsprechende Richtlinie muss bis zum Sommer 2007 in das deutsche Recht eingearbeitet werden und wird höchstwahrscheinlich eine weitere Änderung des UWG herbeiführen. Es ist davon auszugehen, dass sich bald im deutschen Recht eine Aufzählung von Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen verboten sein sollen, finden wird.
Abschließend bleibt festzustellen, dass die Anforderungen, die für die Zusendung von werbenden E-Mails gelten, nach wie vor hoch sind. Wer jedoch bereits jetzt bei der Adressgewinnung das ausdrückliche Einverständnis des Kunden für die spätere Zusendung von Werbe-E-Mails einholt und später deutlich auf den kommerziellen Charakter der jeweils werbenden E-Mail hinweist, ist gut für die Zukunft gerüstet und auf der sicheren Seite.
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