MICHAEL Rechtsanwaelte

BFH: GmbH-Geschäftsführer haften auch bei Insolvenz für nicht abgeführte Lohnsteuer

Mit Urteil vom 05.06.2007 (VII R 65/05) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass  GmbH-Geschäftsführer auch bei Insolvenz der Gesellschaft für schuldhaft nicht abgeführte Lohnsteuer gem. § 69 AO persönlich einstehen müssen – ein mögliches Anfechtungsrecht des späteren Insolvenzverwalters steht dem nicht entgegen. 

Im entschiedenen Fall war der Kläger alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der einer GmbH, die am 22.04.2002 wegen Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellte. Am 19.07.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Finanzamt erließ gegen den Kläger wegen rückständiger Lohnsteuern der GmbH einen auf § 69 AO gestützten Haftungsbescheid.

Nachdem der Kläger zunächst vor dem FG hinsichtlich der Inanspruchnahme für die in den letzten drei Monaten vor der Stellung des Insolvenzantrags fällig gewordenen Beträge obsiegte, hob der BFH auf die Revision des Finanzamts das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Das Finanzamt durfte den Kläger entgegen der Auffassung des FG auch für die in den ersten drei Monaten nach Stellung des Insolvenzantrags fällig gewordenen Lohnsteuerbeträge in Haftung nehmen.

Der Haftung steht nicht entgegen, dass der Insolvenzverwalter im Fall der rechtzeitigen Lohnsteuerzahlung diese möglicherweise nach § 130 InsO hätte anfechten und den Betrag dann wieder vom Finanzamt hätte zurückfordern können. Derartige hypothetische Kausalverläufe seien im Rahmen der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme nach § 69 AO nicht zu berücksichtigen.

Durch die pflichtwidrige Nichtabführung fälliger Lohnsteuer-Beträge wird eine reale Ursache für den Eintritt eines Vermögensschadens in Form eines Steuerausfalls gesetzt, so dass die Kausalität durch eine gedachte insolvenzrechtliche Anfechtung der nicht rückwirkend beseitigt werden kann.

Auch der Schutzzweck von § 69 AO spricht für die Nichtberücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe. Denn Ziel der Haftung ist es, die gesetzlichen Vertreter zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihnen obliegenden steuerlichen Pflichten anzuhalten und das Steueraufkommen durch Schaffung einer Rückgriffsmöglichkeit zu sichern. Diese Ziele würden bei Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe gefährdet.

Der Berücksichtigung der bloßen Anfechtbarkeit der Lohnsteuer-Zahlung steht außerdem entgegen, dass die Finanzämter im Zeitpunkt der pflichtwidrigen Nichtzahlung noch nicht abschätzen können, ob es überhaupt zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt. Im Übrigen steht selbst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht fest, ob der Insolvenzverwalter von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch macht und sämtliche Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung nach § 130 InsO erfüllt sind.

Der BFH weist ergänzend und ausdrücklich darauf hin, dass er sich mit seiner Entscheidung nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH zur Haftung gemäß §§ 823 Abs.2 BGB, 266a StGB wegen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen setze:

„Mit diesem Ergebnis setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH. Die zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen getroffenen Entscheidungen (Urteile vom 18. April 2005 II ZR 61/03, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht –ZIP– 2005, 1026, Deutsches Steuerrecht 2005, 978, und vom 14. November 2000 VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80) betreffen eine mögliche Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a des Strafgesetzbuchs und damit einen deliktischen Schadensersatzanspruch. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich um einen solchen bei § 69 AO jedoch nicht. Vielmehr normiert § 69 AO einen öffentlich-rechtlichen –und zivilrechtlich nicht abdingbaren– Haftungsanspruch, der eine Sonderverbindlichkeit gegenüber dem Fiskus begründet. Der Haftung kommt eine Ausgleichsfunktion und lediglich der Charakter eines Schadensersatzanspruchs zu (Jatzke in Beermann/Gosch, AO § 69 Rz 3, m.w.N.). Daneben verfolgt § 69 AO den Zweck, das bei steuerrechtlich nicht geschäfts- und handlungsfähigen Steuerpflichtigen auftretende Erfordernis der Stellvertretung an die besonderen Bedürfnisse des Steuerrechts anzupassen und damit zur Aufkommenssicherung beizutragen. Aus diesen Gründen kann die zum Deliktsrecht entwickelte Rechtsprechung des BGH nicht ohne weiteres auf die Haftung nach den Vorschriften der AO übertragen werden. „


 

Linkhinweis:

Das Urteil kann im Volltext über die Homepage des BFH (www.bundesfinanzhof.de) abgerufen werden.

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