MICHAEL Rechtsanwaelte

BMJ: Erstmals gesetzliche Regelungen für Absprachen im Strafverfahren

Das Bundesjustizministerium hat heute den Referentenentwurf zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren an die Ressorts zur Stellungnahme versandt. Absprachen zwischen den Verfahrensbeteiligten, umgangssprachlich auch Deals genannt, gehören seit Jahren zur strafprozessualen Praxis. Es fehlt jedoch bislang an einer gesetzlichen Regelung. Die vorgeschlagene Regelung soll Rechtssicherheit schaffen und zu mehr Transparenz und Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten und dem Gericht führen.

„Verständigungen im Strafprozess gehören zur strafprozessualen Realität. Um sie auf eine sichere rechtsstaatliche Grundlage zu stellen, brauchen wir klare gesetzliche Rahmenbedingungen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Absprache zulässig ist“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. „Einen Handel mit der Gerechtigkeit wird es aber nicht geben. Es geht allein darum, beispielsweise in Fällen, in denen sonst eine umfangreiche Beweisaufnahme mit Zeugen aus dem Ausland notwendig wäre, das Verfahren abkürzen zu können – wenn ein glaubhaftes Geständnis vorliegt und das Gericht auch aufgrund seiner weiteren Erkenntnisse zu der Überzeugung kommen durfte, dass der Angeklagte schuldig ist“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Gleichzeitig wandte sich Zypries deutlich gegen Stimmen, die Verständigungen und gesetzliche Regelungen dazu ablehnen: „Der Referentenentwurf ist eine ausgewogene und an den Bedürfnissen der Praxis orientierte Regelungen. Verständigungen können ein berechtigter alternativer Weg sein, der das Ziel des Strafprozesses, zu einer richtigen Entscheidung zu kommen, unverändert lässt. Die Kritiker sagen nur „Nein“, ohne ein eigenes Konzept vorzulegen“, stellte Zypries klar.

Auch der Bundesgerichtshof akzeptiert Absprachen. Er hat in einer Vielzahl von Entscheidungen auch die Grenzen dieser Praxis aufgezeigt. In seiner Entscheidung vom 3. März 2005 hat der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofes maßgebliche Grundsätze der bisherigen Rechtssprechung bestätigt und fortentwickelt. Gleichzeitig appellierte er an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und Begrenzungen von Urteilsabsprachen gesetzlich zu regeln.

Im Wesentlichen sieht der Entwurf folgende Regelungen vor:

  • Die Verfahrensbeteiligten sollen, auch außerhalb einer Verständigung, zu offenerer Kommunikation und mehr Transparenz ermuntert werden.
  • Das Gericht hat die Möglichkeit, schon frühzeitig seine Einschätzung des Verfahrensstandes mitzuteilen. Dies dient dem Interesse aller Verfahrensbeteiligten, ihr weiteres Prozessverhalten sachgerecht und effizient auszurichten. Solche Erörterungen können in geeigneten Fällen auch dazu genutzt werden, über den Ausgang des Strafverfahrens eine Verständigung zu suchen, die sich selbstverständlich im Rahmen der allgemeinen Prozessgrundsätze bewegen muss.
  • Gegenstand einer Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, wie etwa das Strafmaß und nicht der Schuldspruch. Das Gericht hat also immer eigenverantwortlich zu beurteilen, ob der Angeklagte die ihm vorgeworfene Straftat auch wirklich begangen hat. Dementsprechend darf das Gericht einem abgesprochenen Geständnis nicht blind vertrauen, sondern muss es auf seine Glaubhaftigkeit prüfen. Der Angeklagte darf ferner nicht durch Inaussichtstellen einer unangemessenen Strafe zur Absprache gedrängt werden. Die Angabe einer Strafober- und Untergrenze durch das Gericht muss sich innerhalb der allgemeinen Strafzumessungsregeln bewegen. Ausgeschlossen ist auch die Einbeziehung verfahrensfremder Zwecke.
  • Im Zusammenhang mit einer Absprache darf sich das Gericht keinen Rechtsmittelverzicht versprechen lassen. Bei einem Rechtsmittelverzicht erklärt ein Prozessbeteiligter, nicht gegen die gerichtliche Entscheidung, zum Beispiel im Wege der Berufung oder Revision, vorzugehen. Auch Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein. Sofern dem Urteil eine Verständigung zu Grunde liegt, muss der Betroffene über seine Freiheit, Rechtsmittel einzulegen, informiert werden. Unterbleibt diese Belehrung, ist ein Rechtsmittelverzicht unwirksam, selbst wenn der Betroffene diesen unabhängig von der Verständigung abgegeben hat.
  • Der Angeklagte ist über alle Rechtsfolgen, die im Rahmen einer Verständigung von Bedeutung sind, zu belehren. Dem Angeklagten ist daher mitzuteilen, dass das Gericht bei Änderungen der Rechts- oder Sachlage nicht an die Verständigung gebunden ist und dass ein abgegebenes Geständnis grundsätzlich verwertbar bleibt.
  • Die Verständigung muss sich in der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung vollziehen. Die erforderliche Transparenz und Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens wird – auch zum Zweck einer Nachprüfung in der Revision – durch umfassende Mitteilungs- und Protokollierungspflichten des Gerichtes sichergestellt.
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