MICHAEL Rechtsanwaelte

BVerfG: Rechtsschutz gegen die Bestellung eines Konkurrenten zum Insolvenzverwalter

Zum Beschluss vom 23. Mai 2006 – 1 BvR 2530/04

Die Verfassungsbeschwerde eines als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwalts, der sich gegen die Versagung von Rechtsschutz gegen eine ihn nicht berücksichtigende Entscheidung über die Bestellung zum Insolvenzverwalter richtet, war erfolglos. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass es mit dem grundgesetzlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes vereinbar ist, eine Anfechtung der Bestellung zum Insolvenzverwalter durch Mitbewerber und einen vorläufigen Rechtsschutz zur Verhinderung der Bestellung zu versagen. Den Interessen der Gläubiger und des Schuldners an einem zügigen und komplikationslosen Ablauf des Insolvenzverfahrens komme Vorrang gegenüber den Interessen der Prätendenten an beruflicher Betätigung zu.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, der nach eigenen Angaben bereits in etwa 350
Verfahren als Insolvenzverwalter tätig war, wurde vom Amtsgericht in
einem Insolvenzverfahren zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Nach Erstattung eines Gutachtens durch den Beschwerdeführer eröffnete
das Amtsgericht das Insolvenzverfahren, bestellte aber nicht den
Beschwerdeführer, sondern einen früher bei ihm beschäftigten
Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter. Nach Angaben des Beschwerdeführers
wurde er seitdem vom Amtsgericht nicht mehr zum Insolvenzverwalter
bestellt und hierdurch in nahezu einhundert Verfahren nicht
berücksichtigt. Seinen Antrag, die Bestellung seines früheren
Mitarbeiters aufzuheben und an dessen Stelle ihn, den Beschwerdeführer,
zum Insolvenzverwalter zu ernennen, verwarf das Oberlandesgericht als
unzulässig, da das Gesetz insoweit ein Rechtsmittel nicht vorsehe. Die
hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Nach § 56 Abs. 1 Insolvenzordnung ist eine für den jeweiligen
Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den
Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zum
Insolvenzverwalter zu bestellen. Diese Regelung dient der
sachgerechten Durchführung des Insolvenzverfahrens und damit der
Wahrung der Interessen der Gläubiger sowie auch des Schuldners. Sie
ist nicht zu dem Zweck geschaffen, Insolvenzverwaltern die berufliche
Betätigung zu ermöglichen und schafft daher für sich genommen keine
subjektiven Rechte hinsichtlich der Bestellung zum
Insolvenzverwalter. Im Hinblick auf das Verbot einer willkürlichen
Ungleichbehandlung darf der mit dem konkreten Fall befasste Richter
seine Entscheidung für einen bestimmten Insolvenzverwalter jedoch
nicht nach freiem Belieben treffen; vielmehr hat er sein
Auswahlermessen pflichtgemäß auszuüben. Insofern verfügt jeder
geeignete Bewerber um das Insolvenzverwalteramt über ein subjektives
Recht auf pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens des
Insolvenzrichters. Für dieses subjektive Recht muss Rechtsschutz
gewährleistet sein.

2. Eine Anfechtung der Bestellung zum Insolvenzverwalter durch nicht zum
Zuge gekommene Mitbewerber ist hierbei jedoch ebenso ausgeschlossen
wie die Verhinderung einer Bestellung im Wege vorläufigen
Rechtsschutzes.

Es stehen sich die Interessen des Staates und die insoweit
gleichgerichteten Interessen vor allem der Gläubiger sowie in zweiter
Linie auch des Schuldners auf der einen Seite sowie die Interessen
der Bewerber um das Insolvenzverwalteramt auf der anderen Seite
gegenüber. Das Ziel der bei der Bestellungsentscheidung des
Insolvenzgerichts nicht berücksichtigten Prätendenten ist darauf
gerichtet, auf dem Wege einer Drittanfechtung der Bestellung anstelle
des aus ihrer Sicht zu Unrecht ausgewählten Mitbewerbers zum
Insolvenzverwalter berufen zu werden. Demgegenüber sind namentlich
die Gläubiger daran interessiert, dass weitere Kosten, Verzögerungen
und Komplikationen im Ablauf des Insolvenzverfahrens durch
gerichtliche Auseinandersetzungen um die Person des
Insolvenzverwalters unterbleiben. Im Fall einer durch die Anfechtung
des Prätendenten bewirkten Entlassung des zunächst bestellten
Insolvenzverwalters wären mit einer nachfolgenden erneuten
Auswahlentscheidung des Insolvenzrichters und anschließenden erneuten
Anfechtungsmöglichkeiten schwerwiegende Verzögerungen verbunden, die
mit der Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens nicht zu vereinbaren
sind. Zu Verzögerungen, die den Verfahrenszweck gefährden, kommt es
auch, wenn der ausgewählte Prätendent zunächst nicht bestellt,
sondern den Mitbewerbern vorläufiger Rechtsschutz gewährt wird.

Bei dieser Interessenlage kann dem – auf das Eigentumsgrundrecht
gestützten – Interesse der Gläubiger nur dadurch Rechnung getragen
werden, dass der Rechtsschutz zugunsten der Bewerber um das
Insolvenzverwalteramt unter Ausschluss einer Möglichkeit zur
Drittanfechtung der Bestellung wie auch unter Ausschluss vorläufigen
Rechtsschutzes gewährt wird. Diese Lösung ist angemessen, weil nach
dem vom Gesetzgeber mit Blick auf die Gewährleistung des Eigentums
verfolgten Ziel des Insolvenzverfahrens den Interessen der Gläubiger
und des Schuldners Vorrang gegenüber den Interessen der Prätendenten
an beruflicher Betätigung zukommt.

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