MICHAEL Rechtsanwaelte

JM Baden-Württemberg: Klare Regelung zur Patientenverfügung benötigt

Auf einem von der baden-württembergischen Notarakademie in Kooperation mit dem Verein der Richter und Staatsanwälte e.V. veranstalteten Symposium zur Patientenverfügung forderte der baden-württembergische Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP) heute in Stuttgart eine gesetzliche Regelung, die den Patienten genauso wie den Ärzten und Juristen Klarheit und Rechtssicherheit bringe.


„Das Thema Patientenverfügung ist für jeden von uns von besonderer Wichtigkeit und Brisanz. Die Existenz einer Patientenverfügung kann jederzeit von Bedeutung werden. Mit einer Patientenverfügung bestimmt der Verfasser, welche medizinischen Behandlungen durchgeführt werden und welche unterlassen werden sollen, wenn er selber hierüber nicht mehr entscheiden kann“, erklärte der Justizminister. Ein Arzt dürfe gegen den Willen des Patienten keine Behandlung durchführen, möge der Wille des Patienten auch noch so unvernünftig oder unverständlich sein. Gerade in einer Zeit, in der die Medizin über immer mehr Möglichkeiten verfüge, komme der Selbstbestimmung des Einzelnen deshalb eine ganz entscheidende Bedeutung zu. „Das Selbstbestimmungsrecht ist Ausdruck der Würde und Freiheit des Menschen. Nicht alles, was medizinisch möglich ist, ist von dem Patienten im Einzelfall auch gewollt“, so Goll. Insbesondere am Lebensende lehnten Patienten immer wieder lebensverlängernde Maßnahmen ab und wollten im gewohnten Umfeld in Würde sterben. Dieser Wunsch sei in jedem Fall zu respektieren.

Den tatsächlichen Willen des Patienten über den Behandlungsumfang aber verlässlich zu ermitteln werde für Angehörige, Ärzte und Richter dann schwierig, wenn man seine Wünsche nicht mehr mitteilen könne. „Bevor es zur Behandlung kommt, kann mit einer Patientenverfügung Vorsorge getroffen werden. Dann kann man, auch wenn ein Mensch schon ins Koma gefallenen ist, davon ausgehen, dass der Arzt den eigenen Willen beachtet und die Behandlungsmaßnahmen danach ausrichtet“, sagte Goll.

Problematisch sei allerdings, dass der Betroffene bei der Patientenverfügung oft zu einem Zeitpunkt entscheiden müsse, zu dem er seine konkrete Krankheit und die konkreten Behandlungsmöglichkeiten und Aussichten oft noch gar nicht kenne. Deshalb sei es in der aktuellen Diskussion um die Patientenverfügung eine Kernfrage, so der Minister, ob eine auf die Zukunft gerichtete Patientenverfügung die selbe Bindungswirkung haben könne, wie eine in einer aktuell vorliegenden Behandlungssituation getroffene Entscheidung. „Eine gesetzliche Regelung existiert derzeit nicht. Der Bundesgerichtshof hat in einer  Grundsatzentscheidung im Jahr 2003 zwar einige Fragen geklärt, es besteht aber nach wie vor eine große Rechtsunsicherheit, welche Wirkung die Patientenverfügung entfaltet“, bemängelte der Minister. Müssten sich die behandelnden Ärzte strikt daran halten oder diene sie nur der Orientierung? Von dieser Unsicherheit seien derzeit nicht nur die etwa 7 Millionen Bundesbürger, die Schätzungen zu Folge derzeit eine Patientenverfügung verfasst hätten, sondern auch die Ärzte und Juristen, die im Einzelfall über die Durchführung lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden hätten, betroffen.

„Um hier Klarheit und Rechtssicherheit zu erreichen, sind in einem Gesetz neben der Form einer Patientenverfügung vor allem die Bindungswirkungen sowie die Beteiligung des Vormundschaftsgerichts und weiterer Gremien zu regeln“, erklärte Goll. „Ich stimme den Vorschlägen der Arbeitsgruppe ‚Patientenautonomie am Lebensende’ und der Mehrheit des nationalen Ethikrats zu, dass eine Patientenverfügung auch dann verbindlich bleibt, wenn die Erkrankung noch keinen tödlichen Verlauf genommen hat. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten hat für mich oberste Priorität. Mit der Patientenverfügung liegt eine Willenserklärung des Betroffenen selbst vor, die für alle Beteiligten grundsätzlich bindend sein soll. Für mich gehört es zum Selbstbestimmungsrecht, dass eine derartige Entscheidung auch für die Zukunft getroffen werden kann“, so der Minister. Eine Entscheidung des Betreuers, des Bevollmächtigten oder der Ärzte dürfe nicht an Stelle der Entscheidung des Betroffenen gesetzt werden. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte die Änderung des Willens nahe legten, sollte von der Patientenverfügung abgewichen werden können, betonte Goll.

„Bei einem solch sensiblen Thema ist es sehr wichtig, dass eine gesetzliche Regelung auch von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird“, so Goll. Das heutige Symposium der Notarakademie Baden-Württemberg vor rund 600 gemeldeten Teilnehmern leiste dafür einen wertvollen Beitrag. Namhafte Referenten wie der Richter am Bundesgerichtshof a.D. Klaus Kutzer, der Bundestagsabgeordnete Markus Grübel, Bischof Dr. Gebhard Fürst, die Präsidentin der Landesärztekammer Dr. Ulrike Wahl sowie Rechtsanwältin Petra Vetter beleuchten alle Fragen zur Patientenverfügung unter juristischen, theologischen, ethischen und medizinischen Aspekten. Ärzte, Richter und Notare gehen gemeinsam mit Betroffenen darauf ein, wie eine Patientenverfügung möglichst wasserdicht gestaltet werden kann.

Hinweis:

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hatte im Jahr 2004 einen Referentenentwurf für eine Regelung der Patientenverfügung vorgelegt, diesen aber wegen der kontrovers geführten Diskussion über die schwierig zu entscheidenden Fragen wieder zurückgezogen. Ein neuer Gesetzentwurf liegt noch nicht vor, ist aber für diese Legislaturperiode vorgesehen. Auch die Justizministerkonferenz sieht dringenden Handlungsbedarf und hat die Bundesministerin der Justiz um die Vorlage eines neuen Gesetzentwurfs gebeten.

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