MICHAEL Rechtsanwaelte

KG Berlin: Ausnutzung des fliegenden Gerichtsstandes kann rechtsmissbräuclich sein

Das Kammergericht Berlin hat entschieden (Beschluss vom 25.01.2008 – Az. 5 W 371/07), dass eine unverhältnismäßige Auswahl des fliegenden Gerichtsstandes in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten rechtsmissbräuchlich sein kann. Im Streitfall hat die Antragstellerin in den Jahren 2006 und 2007 in 268 Fällen Abmahnungen ausgesprochen, und zwar mehrheitlich wegen unzutreffender Widerrufsbelehrungen bei eBay. Dabei hat sie in der Mehrzahl der Fälle ihre wettberwerbsrechtlichen Ansprüche unter Berufung auf den fliegenden Gerichtsstand (§ 14 Abs. 1 Satz 2 UWG) bei Gerichten anhängig gemacht, die in erheblicher Entfernung zum Geschäfts-/Wohnsitz des Abgemahnten lagen. Nach Auffassung des KG Berlin hat sich die von der Antragstellerin praktizierte Gerichtsstandswahl  dadurch ausgezeichnet, dass sie offenkundig darauf abzielte, ein dem jeweiligen Gegner ortsfernes Gericht auszuwählen. Dies lege die Annahme des Rechtsmissbrauchs nahe, so das KG Berlin. 

Das KG Berlin hat jedoch darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich nicht als missbräuchlich (§ 8 Abs. 4 UWG) anzusehen sei, wenn der Kläger das ihm bequemste oder genehmste Gericht auswählt, also beispielsweise ein Heimatgericht oder das Gericht mit der ihm am günstigsten erscheinenden Rechtsprechung. Es sei gerade in Rechtsstreitigkeiten des gewerblichen Rechtsschutzes weder ungewöhnlich noch anrüchig, wenn angreifende Wettbewerber im Hinblick auf den häufig eröffneten „fliegenden Gerichtsstand“ das gerichtliche Forum wählen, welches ihnen im Hinblick auf die dort vorherrschende Rechtsprechung zur Erreichung ihrer Prozessziele am meisten Erfolg versprechend erscheine. Dieser Effekt sei im Hinblick auf § 14 Abs. 2 UWG Ausdruck des gesetzgeberischen Willens.

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall ging es der Antragstellerin jedoch ganz offensichtlich nicht darum, eine für sie günstige Rechtsprechungslage auszuwählen. Da die Antragstellerin ganz überwiegend unzutreffende Widerrufsbelehrungen bei eBay – insbesondere die Verwendung einer 2-wöchigen Widerrufsfrist bei eBay – abgemahnt hatte, hätte sie eigentlich ausschließlich oder zumindest vorzugsweise Hamburger und Berliner Gerichte anrufen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr wurden die Abgemahnten deutschlandweit in Anspruch genommen, und zwar möglichst weit von ihrem Wohn- und Geschäftssitz entfernt, und zwar auch dann, wenn das Sitz- oder das nächstgelegene Gericht zum Kreis der ansonsten von der Antragstellerin Präferierten zählt. Als besonders krass hat es der Senat empfunden, dass ein Antragsgegner aus Hamburg (ferner auch aus Bautzen und Pirmasens)vor dem Landgericht Köln in Anspruch genommen wurde, wohingegen vor dem Landgericht Hamburg Antragsgegner aus Bonn und aus der Nähe von Düsseldorf in Anspruch genommen wurden, und dass ein Gegner aus der Nähe von Würzburg in Berlin, ein Gegner aus Göppingen demgegenüber in Würzburg in Anspruch genommen wurde. Des Weiteren wurden etwa Gegner aus Bremen oder Umgebung in Braunschweig oder Berlin und Gegner aus Kaiserslautern oder Pforzheim in Magdeburg in Anspruch genommen.

Das KG Berlin kam daher zu dem Ergebnis, dass die Hauptintention der Antragstellerin bei der Wahl der unterschiedlichen Gerichtsorte die war, die Verletzer mit zusätzlichen Kosten für die Rechtsverteidigung, vor allem mit Reisekosten zu belasten bzw. die Verletzer in Anbetracht der auf sie zukommenden Kosten so einzuschüchtern, dass diese „den Kopf in den Sand stecken“ und die Antragstellerin weitest gehend befriedigen, anstatt sich dieser am weit entfernten Gerichtsstand zu stellen.

   

« »