MICHAEL Rechtsanwaelte

LAG München: Altenpfleger riskieren bei grob beleidigendem Verhalten gegenüber Heimbewohnern fristlose Kündigung

Mit seinem Urteil vom 08.08.2007 (11 Sa 496/06) hat das LAG München – mit sehr deutlichen Worten – entschieden, dass Altenpfleger mit der fristlosen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses rechnen müssen, wenn sie pflegebedürftige Personen wiederholt grob beleidigen. Das gilt auch, wenn die Betroffenen möglicherweise nicht mehr in der Lage sind, den Sinngehalt der Beleidigungen zu erfassen, bei Ausspruch der Beleidigungen aber Kollegen anwesend sind.

Im entschiedenen Fall war die klagende Mitarbeiterin seit 1993 in dem Altenpflegeheim der Beklagten als Pflegerin beschäftigt. Seit November 2003 arbeitet sie ausschließlich im Nachtdienst. Im Juni 2004 erfuhr die Beklagte, dass die Klägerin in Anwesenheit von Kollegen pflegebedürftige Bewohner, die sich eingenässt oder eingekotet hatten, mehrfach mit den Worten „alte Pisssau“, „Dreckschwein“ und ähnlichen Äußerungen beleidigt hatte. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos und hilfsweise fristgerecht.

Mit ihrer gegen die Kündigung gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, dass die betroffenen Heimbewohner wegen ihrer geistigen Verfassung gar nicht beleidigungsfähig seien. Dieser Argumentation erteilte das LAG eine klare Absage:

„Es ist geradezu zynisch, wenn sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass die betroffenen Heimbewohner nicht beleidigungsfähig gewesen seien. Zum einen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die menschenverachtenden Äußerungen von den Betroffenen in irgendeiner Form wahrgenommen werden. Zum anderen sind die Äußerungen in Anwesenheit von Kollegen gefallen und waren daher geeignet, einen menschenverachtenden Umgangston mit den Bewohnern salonfähig zu machen.“

Weiter führt das LAG aus:

„Entscheidend ist, dass die Klägerin mit ihren menschenverachtenden Äußerungen ihre Kolleginnen bei einer von persönlicher Zuwendung zu den betreuten Menschen getragenen Aufgabenerfüllung behindert und sich damit bezogen auf die gemeinsame Aufgabe zutiefst destruktiv verhalten hat. Mit ihren Äußerungen hat sie in einem Arbeitsbereich, der – wie kaum ein anderer – von der positiven Energie der Beteiligten getragen wird, das Gift böser, diskriminierender Gedanken ausgestreut.“

Die Umstände reichten nach Ansicht les LAG auch für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung aus:

„Ein Arbeitsverhältnis kann nach § 626 Abs.1 BGB fristlos gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem kündigenden Vertragsteil unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Die Klägerin hat ihre Hauptpflicht, die hilfsbedürftigen alten Menschen menschenwürdig zu betreuen, durch ihre grob beleidigenden Äußerungen in schwerwiegender Weise verletzt. Der Umgang mit eingenässten oder eingekoteten Heimbewohnern gehört zum pflegerischen Alltag in einem Altenpflegeheim. Dabei verbietet der menschenwürdige Umgang mit den alten Menschen, sie als „Pisssau“ der „Drecksschwein“ zu beschimpfen.

Daneben ist zwar zu berücksichtigen, dass die Klägerin über zehn Jahre lang beanstandungsfrei für die Beklagte tätig gewesen ist. Angesichts der Häufung der Fälle und der Einlassung der Klägerin, einzelne Bewohner seien nicht beleidigungsfähig, ist aber von einer konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen.“

Abschließend hielt das LAG auch den vorherigen Ausspruch einer Abmahnung für nicht erforderlich:

„Im Hinblick auf die Schwere der arbeitsvertraglichen Pflichtenverstöße der Klägerin sowie ihre Häufung war eine Abmahnung entbehrlich. Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, dass das beanstandete Verhalten von der Beklagten hingenommen würde.“

Linkhinweis:

Der Volltext der Entscheidung kann über die Homepage der ARbeitsgerichtsbarkeit in Bayern abgerufen werden.

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