MICHAEL Rechtsanwaelte

LG München: Abmahnung als „Retourkutsche“ ist missbräuchlich

Viele Unternehmer, die von einem Mitbewerber abgemahnt werden, setzen sich gegenüber der Abmahnung damit zur Wehr, dass sie ihren Anwalt beauftragen, eine Gegenabmahnung auszusprechen. Da es derzeit kaum möglich ist, einen Internetauftritt rechtssicher zu gestalten, lässt sich in dem gegnerischen Online-Shop meistens ebenfalls ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften finden. Der Anwalt mahnt dann diesen Verstoß ab und erklärt insoweit die Aufrechnung mit den gegnerischen Abmahnkosten. Nach zwei Entscheidungen des LG München I ist ein solches Vorgehen jedoch nicht unbedingt erfolgversprechend. Danach ist eine Abmahnung in der Regel rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG, wenn sie die unmittelbare Reaktion auf eine zuvor zugegangene Abmahnung darstellt, mit dem Ziel diesen dafür mit einer möglichst hohen Kostenbelastung zu bestrafen („Retourkutsche“).

Nach § 8 Abs. 4 UWG ist eine Abmahnung insbesondere dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Das LG München I hatte hierzu bereits am 28.11.2007 (Az. 1HK O 5136/07) entschieden, dass eine unmittelbare Gegenabmahnung als „Retourkutsche“ auf eine zuvor zugegangene Abmahnung ein starkes Indiz für ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellt. Das Gericht hat dabei jedoch einschränkend darauf hingewiesen, dass es für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens  einer umfassenden Einschätzung der Motivationslage dessen bedarf, der Ansprüche geltend macht vor dem Hintergrund der Interessen beider Parteien und insbesondere der kostenrechtlichen Auswirkungen für diese.

Mit Urteil vom 16.01.2008 (Az. 1HK O 8475/07) hat das LG München I diese Einschränkung weiter präzisiert. Dabei hat es klargestellt, dass das Rechtsinstitut des Rechtsmissbrauchs nicht dazu führen dürfe, dass derjenige, dem unlauteres Verhalten vorgeworfen wird, gleichartiges Verhalten seines Konkurrenten hinnehmen muss. Seine Ansprüche müssten aber dann zurückstehen, wenn sie nur als Mittel zum Zweck eingesetzt würden. Dies sei dann der Fall, wenn es dem Abmahnenden in Wirklichkeit gar nicht um die Einhaltung rechtmäßigen Verhaltens,  sondern lediglich um die Generierung eines Kostenerstattungsanspruchs geht, der dann als Verteidigungsmittel gegen die eigene Abmahnung dienen soll. Die Abgrenzung nimmt das Gericht dabei anhand folgender Indizien vor:

  • Stehen die Parteien in einem direkten Wettbewerb, in dem sie das gegenseitige Verhalten regelmäßig beobachten und neue Wettbewerbsverletzungen zeitnah gegenseitig rügen, stelle dies ein Indiz dafür dar, dass eine Abmahnung, auch wenn es sich dabei um eine Gegenabmahnung handelt, vorrangig im Interesse der Durchsetzung eines fairen Wettbewerbs ausgesprochen wurde.

  • Sofern dies nicht der Fall sei, könne ein Indiz für die vorrangige Verfolgung legitimer wettbewerblicher Interessen daraus gezogen werden, dass die Gegenabmahnung ein gleichartiges und gleichgewichtiges Verhalten wie die Abmahnung zum Gegenstand hat. Zwar greife der Einwand der „unclean hands“ gegen die Abmahnung selbst nicht durch; dafür liege es bei einer Gegenabmahnung betreffend solche gleichartigen Verstöße aber nahe, dass es dabei auch vornehmlich um deren Beseitigung und nicht allein um die Erlangung des Kampfmittels Kostenersatzanspruch gehe.

  • Liegen die vorgenannten Indizien nicht vor, spreche – jedenfalls solange die Gegenabmahnung nicht besonders grobe andersartige Verstöße betrifft – alles dafür, dass die dort gerügten Verstöße lediglich als Vehikel zur Generierung eines Kostenersatzanspruchs benutzt wurden, der als Kampfmittel gegen die eigenen Inanspruchnahme in Stellung gebracht werden kann. In diesem Fall greift die gesetzgeberische Grundentscheidung durch, die ihren Ausdruck im Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 UWG gefunden habe.

« »