MICHAEL Rechtsanwaelte

Auch das OLG Köln hält die Wertersatzklausel bei eBay grundsätzlich für abmahnfähig

Nun hat sich auch das OLG Köln der Rechtsauffassung angeschlossen, dass die üblicherweise verwendete Wertersatzklausel bei eBay zur Abmahnung berechtigt (Urteil vom 3. August 2007 – 6 U 60/07). Dass die gängie Wertersatzklausel bei eBay wettbewerbswidrig ist, haben bereits das Landgericht Karlsruhe (Beschluss vom 8.8.2007 – 13 O 76/07) und das Landgericht Berlin (Beschluss vom 15.03.2007,  –52 O 88/07) entschieden. Anders als die beiden zuvor benannten Gerichte hat das OLG Köln allerdings angenommen, dass ein Wettbewerbsverstoß ausnahmsweise dann nicht vorliegt, wenn sich der eBay-Händler wörtlich an die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV gehalten hat.

Der Auffassung des Landgerichts Flensburg (MMR 2006, 686 [687]) und des OLG Hamburg (Beschluss vom 19.06.2007 – 5 W 92/07), wonach § 312c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB für Fernabsatzverträge eine dem § 357 Abs. 3 S. 1 BGB vorgehende Spezialregelung enthalte und der Unternehmer sich seinen weitergehenden Wertersatzanspruch bei diesen Verträgen noch durch eine bis zur Lieferung der Ware erfolgte Information der Verbraucher in Textform erhalten könne, hat das OLG Köln ein klare Absage erteilt. Ein Spezialitätsverhältnis zwischen den Vorschriften dürfte eher umgekehrt bestehen, da sich § 312c Abs. 2 S. 1 BGB auf die bei jedem Fernabsatzgeschäft vorzunehmenden Pflichtangaben beziehe, während § 357 Abs. 3 S. 1 BGB eine keineswegs verpflichtende Abbedingung von §§ 357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 2. Halbs. BGB betriffe, so das OLG Köln. 

Allerdings könne dem eBay-Händler trotzdem kein Wettbewerbsverstoß vorgeworfen werden, wenn er die Muster-Widerrufsbelehrung des Gesetzgebers wörtlich übernommen habe. 

Im Einzelnen hat das OLG Köln seine Entscheidung wie folgt begründet:

„(…) 

5. Die Berufung ist darüber hinaus begründet, soweit der Antragsgegner gemäß dem Verfügungsantrag zu Nr. I c verurteilt worden ist, auf seinen Angebotsseiten eine Belehrung über die Folgen eines Widerrufs zu unterlassen, nach der die Verbraucher Wertersatz für eine Verschlechterung der empfangenen Leistung schulden, die auf einer bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme beruht, obwohl sie einen entsprechenden Hinweis in Textform bei Geschäften über die eBay-Handelsplattform (aus den im Einzelnen oben zu 3 b bb erörterten Gründen) allenfalls nach Vertragsschluss erhalten.

a) Ob die Widerrufsbelehrung unter Berücksichtigung des Transparenzgebots überhaupt in dem von der Antragstellerin beanstandeten Sinn zu verstehen ist, erscheint zweifelhaft. Denn so wie die Belehrung formuliert ist („Können Sie uns die empfangene Leistung … nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns ggf. Wertersatz leisten“), lässt sie offen, ob „im gegebenen Fall“ tatsächlich Wertersatz zu leisten ist.

Die Formulierung schließt einerseits die Fälle ein, in denen die Ware beim Verbraucher unter Missachtung eigenüblicher Sorgfalt, etwa grobfahrlässig (§ 277 BGB) beschädigt wurde und dieser damit ohne Weiteres Wertersatz zu leisten hat (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 1. Halbs., Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB); es kann nämlich keine Rede davon sein, dass der Verbraucher ohne rechtzeitigen Hinweis des Unternehmers im Rahmen der Rückgewähr niemals für den durch eine Verschlechterung der Ware eingetretenen Wertverlust aufzukommen hätte (Buchmann, MMR 2007, 347 [352]).

Die Formulierung lässt es andererseits zu, eine Verschlechterung, die nur auf der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme der Sache beruht (wie z.B. bei der Erstzulassung von Kraftfahrzeugen, vgl. die Begründung zu § 357 BGB, BT-Drucks. 14/6040 S. 199), nicht mehr als einen die Wertersatzpflicht auslösenden Fall anzusehen und führt insoweit zu keiner erheblichen Fehlvorstellung der angesprochenen Verbraucher, zumal aus den (oben zu 4 a) erörterten Gründen eine möglichst vollständige und umfassende Unterrichtung der Verbraucher über jede Einzelheit der Widerrufsfolgen einschließlich aller Ausnahmen und Rückausnahmen vom Zweck der vorvertraglichen Informationspflicht aus § 312c Abs. 1 BGB nicht gefordert wird, ja diesem Zweck sogar eher zuwiderliefe.

b) Wäre der Belehrung zu entnehmen, dass der Verbraucher auch im Fall einer durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretenen Verschlechterung der Sache Wertersatz zu leisten hat, träfe dies allerdings nicht zu, denn im Regelfall besteht eine solche Ersatzpflicht gerade nicht (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 2. Halbs. BGB). Ein ausnahmsweise zur Wertersatzpflicht auch in diesem Fall führender Hinweis des Unternehmers müsste – entgegen den technischen und vertragsrechtlichen Gegebenheiten bei Geschäften der hier in Rede stehenden Art – spätestens bei Vertragsschluss in Textform erfolgen (§ 357 Abs. 3 S. 1 BGB).

Der Auffassung, dass § 312c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB für Fernabsatzverträge eine dem § 357 Abs. 3 S. 1 BGB vorgehende Spezialregelung enthalte und der Unternehmen sich seinen weitergehenden Wertersatzanspruch bei diesen Verträgen noch durch eine bis zur Lieferung der Ware erfolgte Information der Verbraucher in Textform erhalten könne (so LG Flensburg, MMR 2006, 686 [687] und – ihm folgend – OLG Hamburg, Beschl. v. 19.06.2007 – 5 W 92/07), folgt der Senat nicht. Ein Spezialitätsverhältnis zwischen den Vorschriften dürfte eher umgekehrt bestehen, da sich § 312c Abs. 2 S. 1 BGB auf die bei jedem Fernabsatzgeschäft vorzunehmenden Pflichtangaben bezieht, während § 357 Abs. 3 S. 1 BGB eine keineswegs verpflichtende Abbedingung von §§ 357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 2. Halbs. BGB betrifft (wie hier: Mankowski, jurisPR-ITR 10/2006 Anm. 3; Roggenkamp, jurisPR-ITR 7/2007 Anm. 3).

c) Unabhängig davon ist hier aber schon deshalb kein Verstoß des Antragsgegners gegen seine gesetzliche Pflicht zur klaren und verständlichen vorvertraglichen Information der Verbraucher über die Widerrufsfolgen (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 312c Abs. 1 BGB) festzustellen, weil ihm gemäß Art. 245 EGBGB in Verbindung mit § 1 Abs. 4 S. 2 BGB-InfoV zu Gute zu halten ist, dass er sich für die Erfüllung seiner Informationspflicht wörtlich an die Musterbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV gehalten hat.

Soweit in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum Zweifel an der Wirksamkeit der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV geäußert worden sind (LG Halle, MMR 2006, 772; LG Koblenz, MMR 2007, 190; Föhlisch, MMR 2007, 139 ff.; Woitkewitsch, MDR 2007, 630 ff.; anders LG Münster, MMR 2006, 762; vgl. die Antwort der Bundesregierung vom 28.11.2006 auf eine Anfrage der FDP-Fraktion, BT-Drucks. 16/3595; zum Ganzen auch Buchmann, MMR 2007, 347 ff. m.w.N.; BGH, WRP 2007, 794 = NJW 2007, 1946 verhält sich zu der Frage nicht, weil dort kein dem Muster entsprechendes Formular zu beurteilen war), betreffen diese nicht die vorliegende Fallgestaltung. Auch der Normcharakter der inzwischen durch förmliches Gesetz (zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 02.12.2004, BGBl I, 3102) teilweise geänderten BGB-InfoV kann im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen.

Entscheidend ist nach Auffassung des Senats, dass der Antragsgegner als Unternehmer seiner gesetzlichen Informationspflicht, deren (in Bezug auf die Rechtsfolgen des Widerrufs nur für Finanzdienstleistungen durch Art. 1, 3 und 12 der Richtlinie 2002/65/EG harmonisierter) Inhalt auf der Grundlage von § 312c Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 240 EGBGB erst durch den Verordnungsgeber in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV näher definiert worden ist, nicht zuwiderhandelt, wenn er zur Erfüllung dieser Verpflichtung das mit derselben Verordnung eingeführte Muster verwendet. Dies muss auch dann gelten, wenn die Verwendung des Musters (im Rahmen der vorvertraglichen Information) noch nicht in Textform erfolgt. Denn die Musterbelehrung sieht insoweit – anders als bei den Angaben zur Widerrufsfrist – gerade keine nach dem Zeitpunkt der formgerechten Belehrung differenzierenden Gestaltungsmöglichkeiten vor, was unter systematischen Gesichtspunkten, nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 S. 2 BGB-InfoV, der Intention des historischen Gesetzgebers (BT-Drucks. 15/2946 S. 26) und dem objektiven Ziel der Verordnung im Ergebnis nur so verstanden werden kann, dass die Musterbelehrung eine – unabhängig von Form und Zeitpunkt ihrer Verwendung – hinreichende Vorgabe für die Erfüllung der Informationspflicht nach dem neuen § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV enthält, um eine unbillige Belastung der Unternehmer durch die Ausweitung des Katalogs der Vorabinformationen zu vermeiden (vgl. Föhlisch, MMR 2007, 139 f.).

d) Soweit daneben fraglich sein mag, ob der Verordnungsgeber dem Rechtsverkehr mit Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV eine auch den Anforderungen des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB genügende Musterbelehrung zur Verfügung gestellt hat (bejahend: MünchKomm / Masuch, § 357, Rn. 40; bejahend trotz Bedenken: Staudinger / Kaiser, § 357, Rn. 23; Palandt / Grüneberg, § 357, Rn. 10), kann der Verfügungsantrag hierauf nicht gestützt werden.

Denn § 357 Abs. 3 S. 1 BGB betrifft allein die individuelle vertragsrechtliche Beziehung zwischen Unternehmer und Verbraucher, nicht aber ein Wettbewerbsverhalten im Sinne eines Verstoßes gegen Marktverhaltensregeln nach § 4 Nr. 11 UWG. Wie der Senat an anderer Stelle in Bezug auf die im Internet mitgeteilten Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Unternehmens näher ausgeführt hat (Urteil vom 30.03.2007 – 6 U 249/06), ist nicht jede verbraucherschützende zivilrechtliche Norm zugleich dazu bestimmt, das Marktverhalten zu regeln; vielmehr kommt es auf den Schutz des Verbrauchers als am Markt agierende Person an. Darauf beziehen sich zwar die gesetzlichen Informationspflichten, nicht aber die auf die Abwicklung konkreter Schuldverhältnisse abzielenden Vorschriften des allgemeinen Vertragsrechts. Eine solche ausschließlich vertragsrechtliche Regelung stellt aber auch § 357 Abs. 3 S. 1 BGB dar, der lediglich die Einbeziehung einer bestimmten, als Option für den Unternehmer ausgestalteten Rechtsfolgenregelung in den konkreten Vertrag betrifft (vgl. Mankowski, jurisPR-ITR 10/2006 Anm. 3, der in der Vorschrift ein Pendant zu § 305 Abs. 2 BGB sieht).

e) Eine wettbewerblich relevante Irreführung (§ 5 UWG) der angesprochenen Verbraucher über die wahre Rechtslage ist ebenfalls nicht festzustellen. Entsprechend den Erwägungen zur Belehrung über den Fristbeginn (oben zu 4 b) gilt auch insoweit, dass eine dem vorgegebenen Muster des Verordnungsgebers folgende und deshalb als hinreichend klar und verständlich im Sinne von § 312c Abs. 1 BGB geltende Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs nicht zugleich als irreführend angesehen werden kann.“

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