MICHAEL Rechtsanwaelte

BGH: „Androhung“ der Insolvenzantragstellung durch Vorstandsmitglied berechtigt nicht zur Kündigung aus wichtigem Grund

von Christoph Wink
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Der Bundesgerichtshof hatte im Rahmen der Entscheidung vom 12.02.07 (II ZR 308/05) zu beurteilen, ob die „ultimative Ankündigung“ eines Vorstandsmitglieds einer Genossenschaft, einen Insolvenzantrag zu stellen, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 2 BGB darstellt, welcher zu einer außerordentlichen Kündigung des zwischen der Genossenschaft und dem Vorstandsmitglied bestehenden Dienstvertrages berechtigt.

Darüber hinaus hat sich der Bundesgerichtshof in der Entscheidung mit der Frage befasst, ab welchem konkreten Zeitpunkt die im Rahmen des § 626 Abs.2 BGB zu berücksichtigende Zwei-Wochen-Frist beginnt.

I. Aus dem Sachverhalt

Der Kläger war Mitglied des Vorstands einer Wohnungsgenossenschaft, welche sich in einer wirtschaftlich bedrohlichen Situation befand.

Anlässlich einer gemeinsamen Sitzung erörterten der Vorstand und der Aufsichtrat am 24.09.03 einen Sanierungsplan, an welchem sich auch die Hausbank beteiligen sollte. Die einzuleitenden Maßnahmen sollten im Rahmen einer Generalversammlung am 29.09.03 den Genossen mitgeteilt werden. Im Vorfeld erbaten die Vorstandsmitglieder die Bank um die schriftliche Bestätigung der Sanierungsbereitschaft, und zwar vor der Mitgliederversammlung.

Da die Bank bis zum Tag der Mitgliederversammlung die entsprechende Erklärung nicht abgegeben hatte, erklärten die Vorstandsmitglieder dem Aufsichtsrat vor Beginn der Generalversammlung, dass sie beabsichtigen, am Folgetag Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens – und zwar wegen einer von ihr angenommenen
Überschuldung der Gesellschaft – zu stellen. Hierauf wurden die Vorstandsmitglieder von dem Aufsichtsrat vorläufig ihrer Ämter enthoben und die zu der Generalversammlung am 29.09.03 erschienenen Mitglieder über die Maßnahme informiert.

Es wurde sodann am 10.10.03 eine Mitgliederversammlung auf den 28.10.03 einberufen, anlässlich derer die Mitgliederversammlung die Bestellung der Vorstandsmitglieder beschloss und darüber hinaus auch, die zugrunde liegenden Anstellungsverträge fristlos zu kündigen. Hiergegen wandten sich die beiden betroffenen Vorstandsmitglieder.

II. Aus den Entscheidungsgründen

1. Zwei-Wochen-Frist

Hinsichtlich der gem. § 626 Abs. 2 BGB einzuhaltenden (Zwei-Wochen-) Kündigungsfrist befand der BGH, dass diese im vorliegenden Fall eingehalten war.

Der BGH bekräftigte nunmehr auch für die Genossenschaft seine bisherige Rechtsprechung, dass die Frist erst mit Kenntnis der -ordnungsgemäß geladenen- Gesellschafterversammlung (hier: der Generalversammlung) von dem Kündigungsgrund beginne.

Den Genossen soll die Möglichkeit zur Verfügung stehen, sich ein eigenes Urteil über die Gründe für die Abberufung und die Kündigung der Vorstandsmitglieder zu bilden. Daher „muss ihnen dieser Beschlussgegenstand mit der Einladung gem. § 46 Abs. 2 GenG bekannt gegeben werden“.

Da der Beschlussgegenstand vorliegend erst in der Generalversammlung vom 28.10.03 (und nicht zuvor in der Mitgliederversammlung vom 29.09.03) den Mitgliedern bekannt gegeben worden war, begann die Zwei-Wochen-Frist nach Auffassung des BGH erst am 29.10.03.

Eine Vorverlagerung des Kenntniszeitpunktes hat der BGH darüber hinaus abgelehnt. Eine solche komme grundsätzlich dann „in Betracht, wenn der Aufsichtsrat die Versammlung nicht in angemessen kurzer Zeit einberuft, nachdem er selbst Kenntnis von dem Kündigungsgrund erlangt hat“. Dabei wird dem Aufsichtsrat jedoch eine gewisse Überlegungsfrist eingeräumt. Im entschiedenen Fall hielt es der BGH für unschädlich, dass die zweite Generalversammlung nicht bereits am 29.09.03, sondern erst am 10.10.03 zum 28.10.03 einberufen worden ist.

2. Kündigungsgrund

Darüber hinaus musste sich der BGH mit der Frage befassen, ob der Umstand, dass ein Vorstandsmitglied die Stellung eines Insolvenzantrags ankündigt, einen derart „gravierenden Loyalitätsverstoß gegenüber der Genossenschaft“ darstellt, „aufgrund dessen die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages gerechtfertigt“ sein kann (so befand dies die Vorinstanz).

Einer solchen generellen Bewertung erteilte der Bundesgerichtshof eine klare Absage. So betont der Senat, dass es sich bei der Insolvenzantragsfrist um eine Höchstfrist handelt, die auf keinen Fall überschritten werden darf und dass ein Verstoß gegen die Antragsfrist sowohl strafrechtliche (§ 148 GenG) als auch zivilrechtliche Konsequenzen (§ 34 Abs. 2 GenG und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 99 Abs. 1 GenG) nach sich ziehen kann. Hieran ändern auch laufende und erfolgversprechende Sanierungsbemühungen nichts.

Entsprechend sei den organschaftlichen Vertretern auch ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens einer – insolvenzrechtlich relevanten – Überschuldung und damit der Insolvenzantragspflicht zuzubilligen.

Der Bundesgerichtshof stellt überdies ausdrücklich klar, dass weder die Mitgliederversammlung noch der Aufsichtsrat die Kompetenz hat, den Vorstand von der Insolvenzantragspflicht – die ausschließlich dem Gläubigerinteresse dient – zu entbinden.

Entscheidend für die Frage des Vorliegens des Kündigungsgrundes ist damit, ob im Zeitpunkt der Ankündigung des Vorstands, Antrag auf Eröffnung des Insolvenzver-fahrens stellen zu wollen, ein Insolvenzantragsgrund vorlag.

In diesem Rahmen befand der Bundesgerichtshof ausdrücklich, dass die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast der Genossenschaft obliegt. Da es hierzu in den Vorinstanzen an dem erforderlichen Sachvortrag mangelte, wurde der Rechtsstreit an die Berufungsinstanz zurückverwiesen.
 

Quelle: BGH, Urteil vom 12.02.07 (II ZR 308/05)

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