BGH: Vermieterinsolvenz – Kein Überlassungsanspruch, wenn Mieter noch kein Besitz an Mietobjekt einräumt worden war
Mit Urteil vom 05.07.2007 (IX ZR 185/06) hat der BGH entschieden, dass in der Vermieterinsolvenz kein durchsetzbarer Anspruch auf Überlassung des Mietobjekts besteht, wenn dem Mieter noch kein Besitz an dem Mietobjekt eingeräumt worden ist.
Im entschiedenen Fall vermietete die (spätere) Insovenzschuldnerin (ein Bauunternehmen) dem Kläger auf einem noch zu erwerbenden Grundstück ein noch zu errichtendes Gebäude (Einkaufsmarkt). Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen hatte das Bauunternehmen weder Aktivitäten zum Erwerb des Grundstückes noch zur Errichtung des vermieteten Gebäudes entfaltet. Der Insolvenzverwalter hat auf das Erfüllungsverlangen des Klägers hin die Kündigung des Mietvertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt und einige Tage später erklärt, dass die Kündigung auch als Wahl der Nichterfüllung im Sinne von § 103 InsO zu verstehen sei.
Der Mieters begehrte die gerichtliche Feststellung des Fortbestandes des Mietverhältnisses und der Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Übergabe der Mietsache zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt. Hiermit hatte er zunächst vor dem Landgericht Erfolg. Der BGH wies die Klage letztlich ab.
Der BGH stellte zunächst fest, dass wegen des mietrechtlichen Schwerpunkts der vertraglich vereinbarten Leistungselemente ein Mietvertrag vorliegt. Auf diesen sei § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO im entschiedenen Fall jedoch deshalb nicht anwendbar, weil es im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters an der Überlassung der Mietsache gefehlt habe. Weder Wortlaut noch Systematik des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO, so der BGH, forderten zwar, dass die Mietsache bei Verfahrenseröffnung dem Mieter schon überlassen sein müsste. Die Vorschrift sei jedoch im Wege teleologischer Reduktion dahingehend auszulegen, dass sie in der Insolvenz des Vermieters nur auf im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Überlassung der Mietsache an den Mieter vollzogene Mietverhältnisse anzuwenden sei.
Als Vertrag, der bislang von keiner Partei vollständig erfüllt sei, unterfalle dieser somit gemäß § 103 Abs. 1 InsO dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters. Als Folge der Ablehnung der Erfüllung nach § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO könne die Klägerpartei (Mieterin) nur noch als Insolvenzgläubigerin Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
Der Mieter wird damit in die Position eines Insolvenzgläubigers zurückgestuft, dem nur Forderungen wegen Nichterfüllung zustehen. Hierdurch werden sowohl der Insolvenzverwalter als auch die Masse davor geschützt, Verpflichtungen erfüllen zu müssen, die durch die Insolvenz des vormals Verpflichteten für die Allgemeinheit der Gläubiger wirtschaftlich sinnlos geworden sind.
Quellenhinweis:
Das Urteil kann im Volltext über die Homepage des Bundesgerichtshofs (www.bundesgerichtshof.de) abgerufen werden.
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