LAG Düsseldorf: Kein genereller Anspruch auf Aufnahme einer „Dankes-/Zukunfts“ – Formulierung in Arbeitszeugnis
von Rechtsanwalt Christoph Wink
Fachanwalt für Arbeitsrecht
In seinem Urteil vom 21. Mai 2008 (12 Sa 505/08) hat das LAG Düsseldorf entschieden, dass ein Arbeitnehmer keinen generellen Anspruch darauf hat, dass in ein Arbeitszeugnis eine Klausel aufgenommen wird, in welcher der Arbeitgeber sich für die Tätigkeit in der Vergangenheit bedankt und Wünsche für die Zukunft zum Ausdruck bringt.
Im Verfahren stritten die Parteien darum, ob in ein Arbeitszeugnis eine Schlussformel aufzunehmen ist, worin die Beklagte (Arbeitgeber) dem klagenden Arbeitnehmer sowohl für die gute Zusammenarbeit danke als auch alles Gute für den beruflichen und privaten Lebensweg wünsche.
Der Kläger war im Betrieb der Beklagten („Volkswagen Partner“ mit Kraftfahrzeughandel und -service) vom 01.10.2000 bis zum 31.01.2007 als Automobilverkäufer beschäftigt. Es wurde wegen des Vorwurfs eines Eigentumsdeliktes die fristlose Kündigung erklärt; im Rahmen des nachfolgenden Rechtsstreits schlossen die Parteien einen Prozessvergleich, wonach das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund fristgerechter Kündigung der Beklagten aus betrieblichen Gründen sein Ende gefunden hatte und sich die Beklagte weiter verpflichtete, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen („Dieses Zeugnis wird eine zusammenfassende Leistungsbeurteilung „zur vollen Zufriedenheit“ und eine zusammenfassende Verhaltensbeurteilung „einwandfrei“ enthalten).
Das erteilte und dem Folgeprozess gegenständliche Zeugnis, endete wie folgt:
„…. Aufgrund seiner überdurchschnittlichen Verkaufsleistungen wurde Herr Q. jährlich wiederkehrend durch die VW-Bank ausgezeichnet. Seine Leistung hat mit dazu beigetragen, dass in den CSS-VW-Quartalsberichten gute Ergebnisse erzielt werden konnten. Herr Q. hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war einwandfrei. Das Arbeitsverhältnis musste aus betrieblichen Gründen beendet werden.“
Der Kläger hat hiernach Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, das Zeugnis um folgende Schlussformel zu ergänzen:
„Wir danken Herrn Q. für die gute Zusammenarbeit und wünschen ihm für seinen weiteren beruflichen und privaten Lebensweg alles Gute.“
Die Aufnahme einer solchen Klausel kann der Arbeitnehmer nach Ansicht des LAG Düsseldorf nicht verlangen:
„Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20.02.2001, 9 AZR 44/00, NJW 2001, 2995) hat zu § 630 BGB angenommen, dass eine Schlussformel, die den Dank des Arbeitgebers und gute Wünsche für die Zukunft zum Ausdruck bringe, nicht zum gesetzlich geschuldeten Inhalt eines Arbeitszeugnisses gehöre, und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
- Positive Schlusssätze seien geeignet, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen. Ein Zeugnis mit „passenden“ Schlusssätzen werde daher aufgewertet. Daraus lasse sich aber nicht im Umkehrschluss folgern, ein Zeugnis ohne jede Schlussformulierung werde in unzulässiger Weise „entwertet“. Wenn ein Zeugnis ohne abschließende Formeln in der Praxis „oft“ als negativ beurteilt werde, sei dies hinzunehmen.
- Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auf die Gesamtnote abgestimmte Schlusssätze zu formulieren, führe zu nichts anderem als zu ihrer formelhaften Wiederholung, nur mit anderen Worten.
- Der Dank für gute Zusammenarbeit und die guten Wünsche für die Zukunft seien Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers. Ohne gesetzliche Grundlage könne der Arbeitgeber nicht verurteilt werden, das Bestehen solcher Gefühle dem Arbeitnehmer gegenüber schriftlich zu beschei-nigen. Dass Schlussformulierungen oft wohl nur gewählt werden, um ein Arbeitszeugnis mit „üblichem“ Inhalt zu erstellen, ändere daran nichts.“
Auf Basis dieser Erwägungen führt das LAG weiter aus:
„… Es ist gefestigte Rechtsprechung, dass das Arbeitszeugnis – neben dem Wahrheitsgebot – im Interesse des beruflichen Fortkommens des Arbeitnehmers wohlwollend zu fassen ist (BAG, Urteil vom 21.06.2005, 9 AZR 352/04, NZA 2006, 104, Juris Rz. 22). Dabei kommt es nicht auf das Sprachverständnis des Zeugnisverfassers an, sondern auf die Sichtweise des Leserkreises, zu dessen Information üblicherweise das Zeugnis bestimmt ist (vgl. BAG, wie vor, Rz. 21). Indem es als Bewerbungsunterlage anderen Arbeitgebern vorgelegt und meist in den dortigen Personalabteilungen (Human Ressources) der (Vorab)Bewertung unterzogen wird (vgl. BAG, Urteil vom 16.10.2007, 9 AZR 248/07, NJW 2008, 1175 = Juris Rz. 14), sind die dort gewohnten Erkenntnis- und Verständnismöglichkeiten zu berücksichtigen. Unter diesem Aspekt hat die Zeugnisformulierung, soll sie wohlwollend sein, eine „übliche Zeugnissprache„, soweit diese sich im Arbeitsleben herausgebildet hat, zu beachten. Abweichungen von Standardformulierungen erwecken zwangsläufig die Aufmerksamkeit des „kundigen“ Zeugnislesers. Daher ist das Weglassen üblicher Höflichkeitsformeln geeignet, Misstrauen gegen eine ansonsten positive Beurteilung zu erregen und wird den Zeugnisleser erst recht veranlassen, die allgemein übliche Nachfrage bei dem früheren Arbeitgeber zu halten und dessen Auskünfte kritisch zu würdigen (krit. zu dieser Praxis Wendeling-Schröder, AiB 1998, 574).
Demnach kann es im Licht des zeugnisrechtlichen Wohlwollensgebotes zum nach § 109 GewO geschuldeten Inhalt eines Arbeitszeugnisses gehören, dass im Arbeitsleben übliche Standards eingehalten werden.
… Die wohl herrschende Auffassung in der Literatur nimmt an, dass das Fehlen einer Schlussformulierung das Arbeitszeugnis entwertet (Leinemann/Wagner/Worzalla/Haupt, Hdb. FA-Arbeitsrecht, 4. Aufl., S. 815, Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Hdb., 12. Aufl., § 146 Rz. 27, ErfK/Müller-Glöge, 7. Aufl., § 109 GewO, Rz. 94, Grimm, AR-Blattei SD, „Zeugnis“, Rz. 85 ff., Weuster/Scheer, Arbeitszeugnisse in Textbausteinen, 9. Aufl., S. 106, vgl. LAG Köln, Beschluss vom 05.05.2003, LAGE Nr. 1 zu § 630 BGB 2002 = Juris Rz. 13, Küttner/Reinecke, Personalbuch 2007, 470 Zeugnis, Rz. 34, Wendeling-Schröder, a.a.O., S. 572, Beck OK RGKU/Tillmanns, § 109 GewO, Rz. 39, 2006, 795). Das hält die Kammer jedenfalls in den Fällen für zutreffend, in denen bei Bewerbungen bzw. der Bewerberauswahl Inhalt und Form der vorgelegten Arbeitszeugnisse relevant zu sein pflegen, in den Zeugnissen selbst eine „bewertungsneutrale Schlussformulierung“ (etwa derart, dass man dem Mitarbeiter für den künftigen Berufsweg alles Gute wünsche) fehlt und die fehlende Schlussformel auch nicht durch andere Zeugnisaussagen kompensiert wird.
… Unter der Prämisse, dass das Arbeitszeugnis durch Fehlen einer Schlussformel entwertet wird, ist die Aufnahme einer Schlussformel erforderlich und bedeutet keine überflüssige Wiederholung der an früherer Stelle im Zeugnis erfolgten Leistungs- und Verhaltensbewertung.
… Nicht anders als bei der Leistungswertung nach der sog. Zufriedenheitsskala (oder auch bei allgemeinen Grußformeln) äußert der Arbeitgeber in der Schlussformulierung nicht seine subjektiv aufrichtigen Emotionen, sondern wahrt gerade und nur allgemeine Standards und Höflichkeitsformen (vgl. Kammer, 11.06.2003, 12 Sa 354/03, LAGE Nr. 1 zu § 109 GewO 2003 = Juris Rz. 31; 08.08.1990, 12 Sa 816/90, n.v.). Das Weglassen solcher Formeln kann als Distanzierung und Brüskierung des beurteilten Mitarbeiters aufgefasst werden.
Den skizzierten rechtlichen Streit hat das LAG indessen offen gelassen und die Berufung mit folgender Begründung zurückgewiesen:
„… Dem Kläger steht die begehrte Dankes- und Zukunftsformel deshalb nicht zu, weil sie zu weitgehend ist. Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Beklagte ihren „Dank für die gute Zusammenarbeit“ äußert und die Zukunftswünsche nicht nur auf den beruflichen, sondern auch den privaten Lebensweg bezieht. Sieht man den Arbeitgeber grundsätzlich für verpflichtet an, in das qualifizierte Zeugnis eine bewertungsneutrale Schlussformel aufzunehmen, ist jedenfalls dann, wenn – wie hier – die dem Kläger zustehende Leistungs- und Verhaltensbewertung nicht über ein „befriedigend“ wesentlich hinausgeht – der zusätzliche Ausdruck von Dank und Bedauern nicht geschuldet (vgl. Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 18. Aufl., S. 203, Weuster/Scheer, a.a.O., S. 106 f., Grimm, a.aO., S. 204). Aus diesem Grund besteht unabhängig davon, ob private Wünsche überhaupt in ein Arbeitszeugnis gehören, nach Auffassung der Kammer auch kein Rechtsanspruch des Klägers darauf, dass die Beklagte ihm für seinen weiteren privaten Lebensweg alles Gute wünsche. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer klargestellt, dass es ihm um eine, ggf. auch anders als in seinem Antrag formulierte, Schlussformel gehe, in der die Beklagte sowohl ihren Dank als auch ihre beruflichen und privaten Wünsche zum Ausdruck bringe. Nach dem so konkretisierten Klagebegehren ist es der Kammer verwehrt, darüber zu befinden, ob das Zeugnis (nur) um eine berufliche Wunschformel zu ergänzen ist.
Praxishinweis
In der Praxis kommt es häufig zu Streitigkeiten über Zeugnisinhalte. Gerade kleinen und mittleren Betriebe (ohne eigene Personalabteilungen) fällt es zunehmend schwer, Zeugnistexte ordnungsgemäß abzufassen. Der Hintergrund ist klar: es gilt der Grundsatz, dass ein Zeugnis wohlwollend auszufallen hat und den Arbeitnehmer nicht an seinem beruflichen Fortkommen hindern darf. Es muss dem Grundsatz der Wahrhaftigkeit und Vollständigkeit beachten. Außerdem muss ein Zeugnis gewisse Mindestvorgaben beachten, wie
- Formalia (Briefbogen, Unterschrift, datiert im Zusammenhang mit dem Ausscheidenstermin, Zeugnis darf nicht geknickt sein)
- Angabe zur Dauer der Unternehmenszugehörigkeit und der konkreten Tätigkeit (en)
- Bewertung der Leistung
- Bewertung
- Bewertung des Verhaltens und der Sozialkompetenz
Ob und inwieweit Beendigungsmodalitäten (Kündigung, Aufhebungsvertrag, etc.) und Dankes-/Wunschklauseln aufzunehmen sind, ist (wie obiger Fall zeigt) nicht unstreitig. Darüber hinaus besteht eine Vielzahl von Zeugniscodes, die „eingeweihten“ Lesern ein anderes Bild vermitteln, als sich dies oberflächlich aus dem Zeugnistext ergibt.
Hinzu kommt, dass es keine fest definierten Formulierungsstandards gibt; vielmehr finden sich zu allen Teilaspekten eines Zeugnisses die verschiedensten Formulierungsbeispiele, die die Frage der Ordnungsgemäßheit eines Zeugnisses immer stärker verkomplizieren (nicht zuletzt auch wegen des weiten, nicht gefilterten Informationsmediums Internet). Eine Verunsicherung auf Seiten der Arbeitnehmerschaft ist daher allzu verständlich.
Zuletzt der Hinweis – ein Arbeitszeugnis ist ein wichtiges Bewerbungsinstrumentarium des Arbeitnehmers. Daher sollte ein von dem Arbeitgeber vorgelegtes Zeugnis nicht vorbehaltlos akzeptiert werden; oftmals befinden sich darin – sei dies bewußt oder auch nur in Unkenntnis des Arbeitgebers – Formulierungen, die dem beruflichen Fortkommen sogar hinderlich sind. Arbeitnehmer sollten sich daher fachkundig beraten lassen und – dies ist nicht selten der Fall – auch das Angebot des Arbeitgebers annehmen, dass der Arbeitnehmer das Zeugnis selbst erstellt.
Erfolgt auf eine Rüge des Arbeitnehmers keine Zeugniskorrektur, steht dem Arbeitnehmer ein Berichtigungsanspruch zur Seite; er kann dann Zeugnisberichtigungsklage erheben.
Linkhinweis
Das Urteil kann im Volltext über die Homepage des LAG Düsseldorf unter www.lag-duesseldorf.nrw.de abgerufen werden.
« OLG Karlsruhe: Anspruch der Bank gegen Finanzvertreter im Phishingfall LAG Berlin-Brandenburg: Jede Befristungsabrede des Arbeitsvertrages muss binnen 3 Wochen nach dem jeweiligen Fristablauf geltend gemacht werden »