MICHAEL Rechtsanwaelte

LG Hamburg: Beschluss vom 25.01.2006 Az: 308 O 58/06 – Filesharing und Störerhaftung

Anfang 2006 hat das LG Hamburg: Beschluss vom 25.01.2006 Az: 308 O 58/06 entschieden, dass bei der Nutzung von Musiktauschbörsen im Internet nicht nur der eigentliche Verletzer auf Unterlassung haftet, sondern auch der Inhaber des Internet- bzw. Telefonanschlusses. Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass auch der Inhaber des Internetanschlusses Störer sei und Einfluss darauf nehmen könne, dass künftige Rechtsverletzungen unterbleiben. Praktisch bedeutet dies, dass auch Eltern, deren Kinder Musik im Internet getauscht haben, die von der Musikindustrie geforderte Unterlassungserklärung abgeben müssen. Diese ist jedoch nicht vorbehaltlos abzugeben sondern entsprechend zu modifizieren. In der Kanzlei MICHAEL berät Sie dazu Rechtsanwalt Christian Solmecke.
Landgericht Hamburg

Zivilkammer 8

308 0 58/06

BESCHLUSS

vom 25.1.2006

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

– Antragstellerin –

Prozessbevollmächtigte

Rechtsanwälte Rasch pp.,
An der Alster 5, 20099 Hamburg,
Gz.: 05-31185 KS,

gegen

Antragsgegner – ************

Prozessbevollmächtigte ***********

beschließt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 8 durch

den Vorsitzenden. Richter am Landgericht Rachow
die Richterin am Landgericht Dr. Klaassen
die Richterin am Landgericht Dr. Kohls

I. Dem Antragsgegner wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

verboten,

die Musikaufnahme des Künstlers **** auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kasten des Verfahrens nach einem Streitwert von € 25.000,00.

Gründe

Der auf Antrag der Antragstellerin ergangenen Entscheidung liegen prozessual die Regelungen der §§ 935 ff., 922 ZPO zugrunde, wobei die Zuständigkeit des Gerichts aus § 32 ZPO folgt. Der Verbots- bzw. Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 97, 85, UrhG, die Androhung der Ordnungsmittel aus § 890 ZPO. Der Verfügungsanspruch ist gegeben.

I. Verfügungsanspruch:

Die Antragstellerin hat einen aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG folgenden Anspruch gegen den Antragsgegner, die künftige Nutzung der genannten Musikaufnahmen zu unterlassen, dargelegt und glaubhaft gemacht.

Es ist glaubhaft gemacht worden, dass der Antragstellerin die ausschließlichen Nutzungsrechte des Tonträgerherstellers gemäß § 85 UrhG an den genannten Musikaufnahme zustehen.
Diese Aufnahmen wurden vom Internetanschluss des Antragsgegners über ein Filesharing-System der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und konnten so heruntergeladen und angehört werden. Das ergibt sich aus Folgendem:

Am 08.07.2005 um 12.27 Uhr hat der Zeuge Jörg von der Fecht von der proMedia GmbH ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung vom 20.01.2006 (Anlage ASt. 1) festgestellt, dass unter der IP-Adresse 80.138.96.*** insgesamt 722 Dateien, davon 717 Audiodateien im mp3-Format das P2P-Netzwerk Gnutella im Internet für andere Gnutella-Nutzer zum Download verfügbar gemacht worden waren. Ein kompletter Ausdruck der Audiodateien mit der vorgenannten IP-Adresse liegt (als Anlage ASt. 3) vor. Weiter liegt (als Anlage ASt. 2) ein Ausdruck der Datei vor, welche das Vorgehen des Zeugen dokumentiert. Unter den Audiodateien befanden sich die vier streitgegenständlichen Aufnahmen, wegen der die Antragstellerin hier (exemplarisch) einen Unterlassungsanspruch geltend macht. Am 08.07.2005 um 12.50 Uhr wurde zu Test- und Beweiszwecken die Aufnahme des Künstlers Parick Nuo heruntergeladen. Zusammen ist damit glaubhaft gemacht worden, dass die vier Aufnahmen von *** am 08.07.2005 von einem Anschluss ins Internet gestellt wurden, dem die IP-Adresse 80.138.96.*** zugewiesen war. Nach den im Rahmen der eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingeholten Auskünfte der Telekom war diese IP-Adresse dem Anschluss **** zugewiesen und dieser wiederum dem Antragsgegner; letzteres hat der Antragsgegner bei einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung am 25.11.2005 auch nicht in Abrede gestellt. Ohne Erfolg wendet der Antragsgegner vorprozessual im (als Anlage ASt. 6 vorliegenden) Schreiben seiner Prozessbevollmächtigen vom 16.12.2005 ein, die Beweissicherung der *** sei möglicherweise unter Verstoß gegen Datenschutzvorschriften zustande gekommen. Nach den nachvollziehbaren Darlegungen der Antragstellerin hat die **** Schritte vollzogen, die auch jedem anderen Gnutella-Nutzer möglich gewesen waren. Bedenken gegen eine Verwertung in diesem Verfahren sind daher nicht angebracht.

Das Anbieten der Aufnahmen zum Download beinhaltete die Nutzungshandlungen des Vervielfältigens und des öffentlichen Zugänglichmachens, die nach § 85 Abs. 1 UrhG ausschließlich der Antragstellerin als Inhaberin der Tonträgerherstellerrechte vorbehalten waren. Eine solche Nutzung hätte daher einer Rechtseinräumung durch die Antragstellerin bedurft, die nicht vorlag.

Daraus folgt eine widerrechtliche Nutzung. Der Antragsgegner hat für die damit begangene Rechtsverletzung einzustehen, auch wenn er selbst die Handlungen nicht begangen haben sollte. Er ist Inhaber des Internetanschlusses und die Handlungen kommen damit aus seiner Sphäre und seinem Verantwortungsbereich, wobei für den Unterlassungsanspruch kein Verschulden erforderlich ist. Er war als Inhaber des Anschlusses rechtlich und tatsächlich in der Lage, dafür zu sorgen, dass dieser nicht für Rechtsverletzungen genutzt wird. Keinesfalls darf er Töchter und deren Freundinnen nach deren Gutdünken bei der Nutzung des Anschlusses schalten und walten lassen und die Augen vor dem verschließen, was dort gemacht wird. Vielmehr hat er die Pflicht, über die Risiken zu unterrichten und das Tun der Nutzer zu überwachen und gegebenenfalls ein widerrechtliches Tun zu unterbinden. Inwieweit der Antragsgegner im (als Anlage ASt. 6 vorliegenden) Schreiben seiner Prozessbevollmächtigen vom 16.12.2005 mit einem Hinweis auf § 5 TDG Erhebliches einwenden will, erschließt sich nicht.

Die danach widerrechtliche Nutzung begründet die Vermutung, dass es zu einer wiederholten Verletzung kommen kann. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre neben einer Einstellung der Nutzung die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich gewesen (vgl. Schricker/Wild, Urheberrecht, 2. Aufl., § 97 Rz. 42; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, 2. Aufl., § 97 Rz. 120, 125), wie sie erfolglos verlangt worden ist.

II. Verfügungsgrund:

Der Verfügungsgrund steht nicht in Frage. Er folgt grundsätzlich bereits aus der fortbestehenden Wiederholungsgefahr, zu deren Beseitigung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung der Antragsgegner sich nicht veranlasst sah. Im Ubrigen die Antragsstellerin die Sache selbst geboten zügig behandelt. Von dem Namen und der Anschrift des Antragsgegners hat die Antragstellerin erst Anfang Dezember 2005 durch Einsichtnahme in die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte Kenntnis erlangt. Es folgten Abmahnung, Antwort vom 16.12.2005 und Schreiben vorn 27.12.2005.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert ist geschätzt worden (€ 10.000,00 für eine Aufnahme, je € 5.000,00 für drei weitere Aufnahmen).

Rachow Dr. Klaassen Dr. Kohls

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