MICHAEL Rechtsanwaelte

LG Oldenburg: Zum Begriff der

LG Oldenburg Urteil vom 11. 1. 2006 – 5 S 740/05

In einem umgestalteten Bullenstall hat der Beklagte eine Beachparty durchgeführt. Dabei wurden Musik-CDs abgespielt und Videos auf einer Großleinwand präsentiert. 83 Personen zahlten einen Eintritt von 13 Euro. Beworben wurde die Verwanstaltung unter dem Motto „Die legendäre Beachparty geht in die vierte Runde!!!“.

In der Berufungsinstanz fällten die Oldenburger Richter folgendes Urteil:

Der Klägerin steht ein Anspruch nach § 97 UrhG in der zuerkannten Höhe zu.

Zu beanstanden ist, dass das AG die Veranstaltung am 20. 8. 2004 als „nicht öffentlich“ i.S. von § 15 III UrhG eingeordnet hat. Eine Werkwiedergabe ist nicht öffentlich, wenn der Kreis der Personen bestimmt abgegrenzt ist und diese Personen durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich miteinander verbunden sind. Die Beweislast trifft den, der sich auf diese Umstände beruft (allg. Meinung; OLG München, ZUM 1986, 482, 483; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1986, 1056f.). Dabei ist der Begriff der persönlichen Verbundenheit nicht eng im Sinne nur familiärer oder freundschaftlicher Beziehungen zu verstehen. Entscheidend wird auf den engen gegenseitigen Kontakt abgestellt, der bei den Beteiligten das Bewusstsein hervorruft, persönlich miteinander verbunden zu sein (BGH, GRUR 1960, 338 [339]). Daran wird es in der Regel fehlen, je größer der Kreis der Personen ist, für den die Wiedergabe eines Werks bestimmt ist (OLG München, ZUM 1986, 482).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Beklagte nicht nachweisen konnte, dass die Beachparty nicht öffentlich im Sinne des UrhG war. Hierfür spricht bereits die Ankündigung auf der Eintrittskarte, „die legendäre Beachparty geht in die vierte Runde“. Wenn es sich um eine familiäre Feier aus besonderem Anlass, nämlich der Einweihung des neuen Bullenstalls gehandelt hat, ist die vierte Ausgabe der Veranstaltung nicht erklärlich. Die Erklärung, dass in der Vergangenheit schon mal Kindergeburtstage im großen Stil gefeiert wurden, ist in diesem Zusammenhang als Schutzbehauptung zu werten, weil eine Nummerierung unter Berücksichtigung dessen, dass die Söhne nunmehr erwachsen sind und studieren, völlig fern liegend ist. Hinzu kommt, dass die von dem Beklagte vorgelegte Gästeliste im Hinblick auf die Anzahl der Gäste (83) für die Öffentlichkeit spricht. Inhaltlich folgt aus der Gästeliste, dass offenbar gezielt auch Angehörige von Freunden oder Beteiligten angesprochen worden sind. In solchen Fällen fehlt das erforderliche persönliche Band. Denn das Band der einzelnen Teilnehmer zu dem Beklagte bzw. seinen Söhnen konnte bereits deshalb, weil diese nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme untereinander nicht ausreichend bekannt waren, nicht so stark sein, dass unter sämtlichen Gästen das Gefühl erzeugt wurde, einer in sich geschlossenen Gemeinschaft anzugehören. Denn die Zeugin K hat bekundet, es seien noch einige Gäste da gewesen, die sie nicht kannte. Auch die Zeugin M hat ausgesagt, sie habe viele von den Gästen – aber eben nicht alle – gekannt. Ähnlich hat sich auch der Zeuge P geäußert.

Die Gäste habe er alle zumindest vom Sehen gekannt. Jedenfalls seien sie ihm bekannt vorgekommen. Alle diese Bekundungen sind so vage, dass ein starkes Band mit dem Ergebnis einer in sich geschlossenen Gemeinschaft nicht angenommen werden kann. Anhaltspunkte, die gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen oder Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen sprechen, sind nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass für einige Gäste, die sich auf der Liste eingetragen haben, Erklärungen bezüglich der persönlichen Verbundenheit nicht abgegeben wurden und mit Nr. 69 beispielsweise auch eine Freundin der Nachbarin teilgenommen hat. Für die Annahme der Öffentlichkeit spricht auch, dass der Beklagte einen Kostenbeitrag von 13 Euro erhoben hat. Soweit der Beklagte diesen Betrag als Ersatz für ansonsten übliche Geschenke verstanden wissen will, wird gerade dadurch deutlich, dass es nicht um eine persönliche Verbundenheit durch die individuelle Auswahl unterschiedlicher Zuwendungen geht, sondern es entsteht eher der Eindruck eines anonymen, jeden gleich treffenden Eintritts, wie er bei gewerblichen Veranstaltungen gefordert wird.

Diese Beurteilung ändert sich auch nicht unter Berücksichtigung des kleinen Hinweises am unteren Rand der Einladung, dass es sich um eine Privatveranstaltung handele. Der Begriff „Öffentlichkeit“ ergibt sich aus dem Gesetz, er ist nicht der Disposition der Beteiligten überlassen. Die Eingangskontrolle spricht eher für als gegen die Öffentlichkeit. Die vorhandene Wegeskizze ist dagegen nicht geeignet, Indizwirkungen zu entfalten.

Die Einschätzung der Kammer, dass es sich um eine öffentliche und keine private Veranstaltung gehandelt hat, wird durch einen Vergleich mit Entscheidungen des BGH bestätigt.

Danach fehlt es etwa bei Betriebsveranstaltungen einer AG mit jeweils 100 – 800 Personen an einem persönlichen vertrauten Kontakt der einzelnen Belegschaftsmitglieder, insbesondere wenn dieser Kreis durch Kündigungen und Neueinstellungen wechselt und zuweilen durch Familienangehörige oder Freunde der Betriebsangehörigen erweitert wurde (BGH, GRUR 1955, 549).

Ebenso handelt es sich bei Abschlussbällen mehrerer Tanzkurse mit Teilnehmerzahlen von 63 – 240 um öffentliche Veranstaltungen (BGH, GRUR 1960, 338 – Tanzstundenabschlussbälle). Es reicht nicht aus, dass die Besucher einen bestimmten, abgegrenzten Personenkreis gebildet haben. Die jeweilige Beziehung der einzelnen Tanzkurse zum Tanzlehrer genügt nicht, um unter sämtlichen Besuchern des Abschlussballs das Gefühl zu erzeugen, einer in sich geschlossenen Gemeinschaft anzugehören.

Auch hier handelte es sich um vier verschiedene, einander nicht persönlich verbundene Kreise: Schon der Begriff der „Nachbarn“ ist dehnbar. Wo dort eine Grenze gezogen wurde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Hinzu kamen die unterschiedlichen Freundeskreise der drei Söhne aus verschiedenen Orten. Eine ein Gemeinschaftsgefühl erzeugende Beziehung untereinander wird nicht näher begründet, sie widerspricht auch der Lebenserfahrung. Die einzige Klammer ist die Bekanntschaft zu einzelnen Familienmitgliedern. Eine solche bilaterale Beziehung, vergleichbar zum Tanzlehrer, hat der BGH nicht ausreichen lassen (BGH, GRUR 1960, 338 – Tanzstundenabschlussbälle).

Die Höhe der an die Klägerin zu zahlenden Vergütung ist mit 234,74 Euro anzusetzen. Bei der Größe des Veranstaltungsraums geht die Kammer von 400 qm aus. Das ist die Schätzung des Außendienstmitarbeiters der Klägerin Gemessen wird von Wand zu Wand. Der Beklagte ist der Auflage der Kammer, einen Grundriss vorzulegen, nicht nachgekommen. Es ist auch nicht dargelegt, dass irgendwelche Zwischenwände gezogen worden waren. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der geforderte „Eintritt“ nicht als Entgelt für die Musikdarbietung gefordert wurde, sondern (auch) freies Essen und Trinken abdeckte. Da der Beklagte eine Kalkulation nicht vorlegen konnte, schätzt das Gericht gem. § 287 ZPO, dass unter Abzug der Aufwendungen für Getränke und Speisen ein Eintrittsgeld von bis zu 1,50 Euro verbleibt, mithin nach dem Tarif M-U I der Klägerin eine Pauschale von 106,70 Euro zzgl. eines 100-prozentigen Kontrollzuschlags und eines 20-prozentigen GVL-Zuschlags anzusetzen ist. Dies ergibt den oben genannten Betrag.

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