MICHAEL Rechtsanwaelte

Zukunft im digitalen Zeitalter – wie geht es weiter?

Nach der Filesharing Razzia, bei der tausende bislang unbescholtene Bürger ins Visier der Ermittler geraten sind, stellt sich nunmehr die Frage, wie in Zukunft mit digitalen Inhalten umgegangen wird. Mit dieser Frage beschäftig sich schon seit Jahren der Jura-Professor Lawrence Lessig (Stanford, USA), der vor zwei Jahren der Zeitschrift brandeins ein hervorragendes und ausgesprochen lesenswertes Interview gegeben hat, welches heute aktueller den je ist. Lessig ist übrigens einer der Erfinder der Creative Commons Lizenz, die (abgestuft) die freie Nutzung von Werken ermöglichen soll.
Einen anderen Weg geht Lessigs Kollege und Harvard Professor Terry Fisher. Er setzt sich für eine Kulturflatrate ein. Eine Art Pauschalabgabe an die Musikindustrie. Eine solche Content-Flatrate hält auch die deutsche Initiative privatkopie.net in einer aktuellen (25. April 2006) Pressemitteilung für machbar:
Content Flatrate ist machbar!
Studie zeigt: Legalisierung von Tauschbörsen ist europarechtlich zulässig

Am heutigen Welttag des geistigen Eigentums übergab die Initiative privatkopie.net gemeinsam mit dem Forum Informatikerinnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF) ein Rechtsgutachten an Bundesjustizministerin Zypries und an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Daraus geht hervor, dass eine Content Flatrate mit dem internationalen Urheberrecht vereinbar ist.

Im Rahmen der aktuellen Urheberrechtsreform hatte privatkopie.net vorgeschlagen, das Tauschen von geschützten Werken zu erlauben und pauschal zu vergüten. Die Nutzung von Tauschbörsen lässt sich genauso wenig verbieten wie privates Kopieren. Das Justizministerium behauptet, mit dem von ihm vorgeschlagenen Verbot könnten Urheber gegen das Kopieren aus File-Sharing-Systemen erfolgreich vorgehen. Alle empirischen Belege zeigen dagegen, dass ihre Nutzung weiter zunimmt. Die Urheber gehen leer aus. In ihrem offenen Brief an die Ministerin fordern die zivilgesellschaftlichen Gruppen daher die gleiche Lösung wie beim privaten Kopieren: Erlauben und vergüten, was man nicht verhindern kann.

Dagegen brachte das Justizministerium in seiner Begründung zum Gesetzentwurf vor, dass eine solche Content Flatrate mit dem europäischen Urheberrecht nicht vereinbar sei. Das jetzt in einer englischen Übersetzung vorgelegte französische Rechtsgutachten zeigt das Gegenteil.

In Frankreich hat sich eine breite Allianz von Urhebern, Musikern, Internetnutzern und Verbrauchern zusammengeschlossen, um die Globallizenz zu fordern, wie die Flatrate dort genannt wird. Das Modell sieht vor, dass das ausschließliche Recht des Urhebers im Online-Bereich gewahrt wird, aber nur kollektiv von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden kann. Internet Service Provider bieten ihren Kunden die Wahl: wer urheberrechtliche Werke tauschen möchte, kann eine Lizenz dafür erwerben. Eine Pauschale von fünf bis zehn Euro im Monat wird als angemessene Vergütung angesehen. Wer nicht tauschen möchte, muss auch nicht zahlen. Die Verwertungsgesellschaft schüttet diese Einnahmen an die Rechteinhaber aus. Wer häufiger getauscht wird, erhält eine proportional höhere Auszahlung.

Die Allianz von Künstlern und Öffentlichkeit beauftragte den renommiertesten französischen Urheberrechtsgelehrten Prof. André Lucas von der Universität Nantes zu prüfen, ob eine solche Globallizenz juristisch machbar ist. Ergebnis: nichts im nationalen oder internationalen Recht steht ihr entgegen. Vielmehr hat sich für vergleichbare Sachverhalte eine Verwertungsgesellschaftspflicht bereits als die für alle Beteiligten beste Lösung erwiesen.

Dieses Gutachten hat privatkopie.net mit Unterstützung der Europäischen Verbraucherorganisation BEUC und der Stiftung Bridge ins Englische übersetzen lassen, um es einem breiteren Leserkreis zugänglich zu machen. In ihrem offenen Brief fordern sie die Ministerin und die Abgeordneten auf, die Studie zu prüfen und die Pauschalvergütung fürs Netz in der aktuellen Gesetzgebung zu verwirklichen. „Die Frage lautet also nicht mehr, ob eine Content Flatrate möglich ist, sondern was wir wollen: eine datenschutzfreundliche Pauschalvergütung oder eine hochgradig invasive Infrastruktur aus Rechtekontrolltechnologie zur privaten Verwaltung vormals öffentlich geregelter Urheberrechte? Freiheit oder digitalen Stacheldraht?“

IM INTERNET

Peer-to-peer File Sharing and Literary and Artistic Property. A Feasibility Study regarding a system of compensation for the exchange of works via the Internet By Carine Bernault and Audrey Lebois, Institute for Research on Private Law, University of Nantes
http://privatkopie.net/files/Feasibility-Study-p2p-acs_Nantes.pdf

Content Flatrate ist machbar! Offener Brief an Bundesjustizministerin Zypries und an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
http://privatkopie.net/files/Feasibility-Study_Offener-Brief.pdf

L‘ Allicance Public-Artistes
http://alliance.bugiweb.com

BEUC, die Europäische Verbraucherorganisation
http://www.beuc.org

Stiftung Bridge
http://www.stiftung-bridge.de

Forum Informatikerinnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.(FIfF)
http://www.fiff.de

Initiative privatkopie.net
http://privatkopie.net

Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an
Dr. Volker Grassmuck, Initiative privatkopie.net
vgrass AT staff.hu-berlin.de

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