MICHAEL Rechtsanwaelte

BAG: Installation von Anonymisierungssoftware kann Kündigung rechtfertigen

von Christoph Wink
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Die private Nutzung von firmeneigenen Computeranlagen beschäftigt wiederholt die Arbeitsgerichtsbarkeit. In seiner erst kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 12.01.2006 (2 AZR 179/05) hatte das Bundesarbeitsgericht darüber zu befinden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Installation einer „Anonymisierungssoftware“ auf einem Arbeitsplatzrechner trotz einer Dienstanweisung – wonach nur dienstliche Software und der Rechner nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden darf – eine Kündigung sozial rechtfertigen kann. 

I. Zur Entscheidung des BAG 

Der Entscheidung lag der folgende (auszugsweise dargestellte) Sachverhalt zugrunde:

Der im Jahr 1953 geborene Kläger ist seit Anfang Mai 1991 als angesteller Dipl.-Ing. im Wasserwirtschaftsamt der Stadt W. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Nach einer Dienstanweisung aus dem Jahre 1992 durfte auf den Arbeitsplatzrechnern „nur dienstliche Software und der Rechner nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden“. Hierneben existierte eine „Dienstvereinbarung zur Nutzung des elektronisches Dokumentenaustausches mit E-Mail, des Internets und Intranets sowie des Telefaxes“, wonach eine Softwareinstallation auf den Rechnern und auch die private Nutzung des Internets verboten war. Hierneben wurde mehrfach durch den Dienststellenleiter mittels hausinterner Informationsschreiben an die Dienstvereinbarung, das Verbot der privaten Internet-Nutzung und auch auf die notwendige Zustimmung der Fachabteilung bei der Beschaffung von Hard- und Software hingewiesen. 

Im Juli 2002 wurde festgestellt, dass der Kläger auf seinem Rechner u.a. eine „Software zur Anonymisierung von Internet-Zugriffen“ installiert hatte. Zudem wurden verschiedene Internet-Adressen gefunden, die ausschließlich der privaten Nutzung zuzuordnen waren. Hierauf erfolgt sodann die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Dienstverhältnisses. 

Das in der Vorinstanz zuständige LAG Nürnberg entschied noch, dass die Kündigung rechtswidrig sei. Diese Entscheidung hob das BAG auf und verwies den Rechtsstreit zur Neuverhandlung und Entscheidung zurück an das LAG. 

Zunächst stellte das BAG fest, dass die unrechtmäßige Installation der Anonymisierungssoftware einen erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoß darstellt (einen Pflichtenverstoß wegen der unzulässigen Privatnutzung des Internets betätigte das BAG nicht, da es insoweit an der erforderlichen Tatsachengrundlage über Art und Umfang der Internetnutzung mangelte). 

Im weiteren befand das BAG, dass zumindest die ordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abnahmung zulässig war. Eine (ansonsten von der Rechtsprechung wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes regelmäßig geforderte) Abmahnung war nach Auffassung des BAG vorliegend nicht erforderlich, da dem Kläger die Rechtswidrigkeit seines Handelns wegen der Dienstanweisung bewusst war und da ihm insbesondere klar sein musste, dass die Installation einer „Anonymisierungssoftware“ zum unentdeckten Surfen im Internet dem Interesse des Arbeitgebers „eklatant zuwider läuft“. 

Das BAG stellte aber zugleich klar, dass ein alleiniger Pflichtenverstoß nicht allein ausreicht, um eine Kündigung sozial zu rechtfertigen. Vielmehr sei – wie bei allen verhaltensbedingten Kündigungen – eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen (hierbei sind zugunsten des gekündigten Arbeitnehmers insbesondere die Beschäftigungsdauer, das Lebensalter und auch eine etwaig vorhandene Schwerbehinderteneigenschaft – so im entschiedenen Fall – zu berücksichtigen). Vor diesem Hintergrund wurde der Rechtsstreit an das LAG Nürnberg zurückverwiesen. 

II. Praxishinweis 

Mit der Entscheidung vom 12.01.06 hat das BAG mit einer begrüßenswerten Klarheit Position zugunsten des Arbeitgebers bezogen und befunden, dass die unzulässige Installation von Software auf einem Arbeitsplatzrechner einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung – und zwar auch ohne Abmahnung – darstellen kann.

Da die private Internetnutzung und auch die Installation von Software auf Arbeitsplatzrechnern nicht nur arbeitszeitbindend ist und damit einen beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden darstellen, sondern darüber hinaus auch ein bedeutendes Sicherheitsrisiko begründen kann, sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen gehalten, die Thematik mit der erforderlichen Sensibilität anzugehen.

Arbeitgebern ist daher anzuraten, klare EDV-Richtlinien vorgeben, um im beiderseitigen Interesse Sicherheit herbeizuführen und bei Verstößen entsprechend reagieren zu können. Am Rande sei angemerkt (was an sich selbstverständlich sein sollte), dass die Richtlinien dann auch strikt anzuwenden sind. Werden – wenn auch nur geringfügige – Ausnahmen zugelassen oder stillschweigend hingenommen (hierauf verweist das BAG in einem Nebensatz), wird im Einzelfall sicherlich auch die Unwirksamkeit einer Kündigung in Betracht kommen.  

 

BAG, Urteil vom 12.01.2006 (2 AZR 179/05)
LAG Nürnberg, Urteil vom 26.10.2004 (6 Sa 348/03

 

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