LAG Köln: Zur insolvenzfesten Gestaltung eines Abfindungsvergleichs
In seinem Urteil vom 19.03.2007 (2 Sa 1258/06) hat sich das LAG Köln mit der Frage befasst, ob ein Abfindungsvergleich auch dann Bestand hat, wenn die darin vereinbarte Abfindung i.S.d. §§ 9,10 KSchG aufgrund eines nach Vergleichsabschluss eingetretenen Insolvenzfalles nicht mehr zur Auszahlung gelangt.
Im Verfahren stritten die Parteien darüber, ob der von dem Kläger eingeleitete Rechtsstreit über die Beschäftigung des Klägers mit Vergleich vom 06.05.2003 sein Ende gefunden hat. In dem zugrunde liegenden Kündigungsschutzverfahren waren umfangreiche Vergleichsgespräche geführt worden, im Laufe derer klägerseits erklärt wurde:
„Unter der Voraussetzung, dass diese Abfindung bis zum Terminstag bei dem gegnerischen Kollegen hinterlegt ist und von diesem sodann nach Rechtskraft unmittelbar an den Kl. ausgezahlt wird, kann der Vergleich geschlossen werden.“
Es wurde sodann am 06.05.2003 der folgende Vergleich geschlossen:
- „Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.12.2003 auf Veranlassung der Bekl. sein Ende findet. Die Beendigung erfolgt aus persönlichen Gründen, da der Kl. gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, den Aufgaben des Hammerführers nachzukommen und ein anderer geeigneter Arbeitsplatz nicht verfügbar ist.
- Als Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes erhält der Kl. gem. den §§ 9 und 10 KSchG, 3 Ziffer 9 EStG eine Abfindung in Höhe von 19.000,00 € (i. W. Neunzehntausend Euro) brutto. Die Abfindung ist fällig mit Bestandskraft dieses Vergleiches.
- Die Bekl. wird dem Kl. ein wohlwollendes Zeugnis erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt und ihn in seinem weiteren Fortkommen fördert.
- Die Parteien sind sich einig darüber, dass dem Kl. gegen die Unterstützungseinrichtung der Firma G ein unverfallbarer Anspruch auf Rentenzahlung wegen Alters zusteht. Die Höhe der Rente wird die Unterstützungseinrichtung ermitteln und dem Kl. mitteilen.
- Der Kl. erklärt, dass er bis zum 31.12.2003 aus den bereits erwähnten gesundheitlichen Gründen seiner Arbeitspflicht unwiderruflich nicht nachkommen wird. Die Parteien sind einig darüber, dass ihm für diese Zeit kein Entgeltanspruch zusteht und dass auch keine Entgeltansprüche rückständig sind, da kein für den Kl. geeigneter Arbeitsplatz verfügbar ist. Im übrigen wird die Bekl. das Arbeitsverhältnis vertragsgerecht abwickeln.
- Mit der Erfüllung des Vergleiches sind alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Erledigung ausgeglichen.
- Die Bekl. verpflichtet sich, den Abfindungsbetrag gem. Ziffer 2.) dieses Vergleiches bei ihrem Prozessbevollmächtigten bis zum 16.05.2003 zu hinterlegen. Der Prozessbevollmächtigte der Bekl. wird dies gegenüber dem Prozessbevollmächtigte des Kl. bestätigen. Für den Fall, dass diese Bestätigung nicht bis zum 16.05.2003 beim Prozessbevollmächtigten des Kl. eingeht bleibt dem Kl. das Recht vorbehalten, diesen Vergleich durch schriftliche Anzeige gegenüber dem Arbeitsgericht Siegburg bis zum 20.05.2003 zu widerrufen.“
Am 14.05.2003 ging die Abfindungssumme auf dem Konto der damaligen Prozessbevollmächtigten der beklagten Arbeitgeberin ein; zu einer Auszahlung kam es letztlich wegen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin nicht mehr.
Am 15.05.2006 beantragte der Kl. die „Wiederaufnahme“ des ursprünglichen Beschäftigungsverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter seiner damaligen Arbeitgeberin. Insoweit vertrat er die Ansicht, dass die Geschäftsgrundlage des Vergleichs – der Erhalt der Vergleichssumme – entfallen sei.
Die auf Weiterbeschäftigung gerichtete Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen.
Hierzu das LAG Köln:
„Unzweifelhaft ist der Vergleich nicht durch Irrtumsanfechtung noch durch Rücktrittserklärung des Kl. beseitigt worden. Die erforderlichen Erklärungen liegen zum Einen nicht vor. Hinsichtlich der Irrtumsanfechtung ist die Anfechtungsfrist des § 121 BGB unabhängig von der Frage, ob ein Anfechtungsgrund überhaupt gegeben wäre, abgelaufen. Auch eine Rücktrittserklärung nach § 313 III BGB liegt nicht vor.
…
Unabhängig von diesen Erwägungen stellt die zwischenzeitlich eingetretene Zahlungsunfähigkeit der ehemaligen Arbeitgeberin und Prozessgegnerin des Kl. jedoch auch keine Störung der Geschäftsgrundlage des Vergleichs vom 06.05.2003 i.S. des § 313, 779 BGB dar. Regelmäßig ist mit einem Vertragsschluss, der mit dem Austausch von Leistungen einhergeht die Erwartung verbunden, dass der jeweilige Vertragspartner für die versprochene Leistung auch leistungsfähig sein wird, ohne dass dies die Geschäftsgrundlage des Vertrages wäre. Tritt in einer solchen Konstellation einer der Vertragspartner in Vorleistung, sei es dass er bereits Eigentum an den Vertragspartner überträgt, sei es, dass er vor Erhalt der Gegenleistung eine rechtsgestaltende Willenserklärung abgibt, so werden hierfür regelmäßig Sicherungsrechte vereinbart.
Auch im vorliegenden Fall wäre es für den anwaltlich vertretenen Kl. ein leichtes gewesen, durch geeignete Vergleichsgestaltung das Insolvenzrisiko vollständig zu umgehen. So hätten die Parteien vereinbaren können, dass der Vergleich erst dann zustande kommt, wenn die Abfindungssumme bei dem Kl. oder bei dessen Prozessbevollmächtigten eingeht. In diesem Fall hätte der Vergleich unter einer Bedingung geschlossen werden müssen. Eine solche Vergleichsgestaltung wäre auch insolvenzfest nach § 130 InsO gewesen. Den soweit der Kl. bei Erfüllung keine Kenntnis vom Insolvenzeröffnungsantrag hatte, wäre eine Anfechtbarkeit nicht gegeben gewesen. Im Falle einer Anfechtbarkeit und damit einer fehlenden Erfüllung der Vergleichssumme wäre der Vergleich nicht wirksam geworden. Der Kl. hätte keinerlei Rechtsverlust erlitten. Die bloße Erwartung, dass der Vertragsgegner seine zugesagte Leistung erfüllen werde und bis zur endgültigen Erfüllung wirtschaftlich leistungsfähig bleiben würde, ist deshalb regelmäßig nicht Geschäftsgrundlage eines Vertrages. Anderenfalls würden sich Sicherungsklauseln wie z.B. verlängerter Eigentumsvorbehalt erübrigen und die Tätigkeit des Insolvenzverwalters im wesentlichen darin bestehen, nicht vollständig erfüllte Verträge rückabzuwickeln. B
…
Letztlich steht der Kl. sich damit nicht anders wie jeder andere Arbeitnehmer, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung vereinbart und hierbei eine herausgeschobene Fälligkeit und eine fehlende Absicherung der Abfindungssumme akzeptiert. Eine solche Forderung stellt sich als einfache Insolvenzforderung dar, ohne dass eine Anpassung oder gar ein Rücktritt vom Vergleichsvertrag möglich wäre.“
Praxishinweis:
Arbeitnehmer, die im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens erwägen, einen Abfindungsvergleich abzuschließen und die zugleich Befürchtungen über die Liquidität des Unternehmes haben, sind mit den Ausführungen des LAG Köln angehalten, einen Vergleich nur unter der Bedingung abzuschließen, dass der Vergleich erst dann zustande kommt, wenn die Abfindungssumme bei dem Arbeitnehmer oder bei dessen Prozessbevollmächtigten eingeht.
Linkhinweis:
Das Urteil kann im Volltext über die Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW (www.justiz.nrw.de) abgerufen werden.
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