LG Darmstadt: 25 S 118/2005
In einem Berufungsverfahren hat das LG Darmstadt festgestellt, dass der Internetprovider T-Online nicht berechtigt ist, die IP-Adresse seiner Kunden zu speichern, sofern dies nicht für abrechnungstechnische Zwecke erforderlich ist. Geklagt hatte ein Flatrate-Nutzer.
Landgericht Darmstadt
25 S 118/2005
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
– Kläger, Berufungskläger und Berufungsbeklagter –
Prozeßbevollmächtigte(r) Rechtsanwalt
gegen
– Beklagte, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin –
Prozeßbevollmächtigte(r) Rechtsanwalt
hat die 25. Zivilkammer – Berufungskammer – des Landgerichts Darmstadt durch die Vizepräsidentin des Landgerichts Schichor, Richter am Landgericht Knobloch und Richter am Landgericht Becker auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2005 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 30.06.2005 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, das bei der Nutzung des Internetzugangs durch den Kläger im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses nach dem Tarif T-Online dsl flat bekannt gewordene Volumen der übertragenen Daten zu erheben und auf Datenträgern jeglicher Art zu speichern.
2.) Die Beklagte wird verurteilt, nach Beendigung der jeweiligen Nutzung des Internetzugangs durch den Kläger alle Daten, die eine Verbindung zwischen der zugeteilten IP-Adresse und dem Kläger bzw. dem technischen Zugang des Klägers herstellen, umgehend zu löschen.
3.) Die Beklagte wird verurteilt, die ihr bei der Nutzung des Internetzugangs durch den Kläger im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses nach dem Tarif T-Online dsl flat bereits bekannt gewordenen, erhobenen und gespeicherten Daten des Klägers:
a) die jeweils zugeteilte IP-Adresse
b) das Volumen der übertragenen Daten
zu löschen.
Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1) ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 100.000.- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern, festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 25% und die Beklagte 75% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert der Berufung: 4.000.- €
Gründe:
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird zunächst Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Der Kläger ist Kunde der Beklagten. Zwischen den Parteien besteht ein Vertrag über einen Internetzugang im Tarif T-Online dsl flat.
Der Kläger hat mit seiner Klage beantragt, die Beklagte bei Meidung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, zu verurteilen,
1.) es zu unterlassen, die ihr im Rahmen der Nutzung des Internetzugangs durch den Kläger bekannt gewordenen Daten des Klägers:
a) Beginn und Ende der einzelnen Verbindung (Datum und Uhrzeit)
b) das Volumen der übertragenen Daten durch den Kläger zu erheben und auf Datenträgern jeglicher Art zu speichern,
2.) nach Beendigung der jeweiligen Nutzung des Internetzugangs durch den Kläger alle Daten, die eine Verbindung zwischen der zugeteilten IP-Adresse und dem Kläger beziehungsweise dem technischen Zugang des Klägers herstellen, umgehend zu löschen,
3.) die ihr im Rahmen der Nutzung des Internetzugangs durch den Kläger bereits bekannt gewordenen, erhobenen und gespeicherten Daten des Klägers:
a) Beginn und Ende der einzelnen Verbindung (Datum und Uhrzeit)
b) die jeweils zugeteilte IP-Adresse
c) das Volumen der übertragenen Daten
zu löschen.
Das Amtsgericht hat die Beklagte bei Kostenaufhebung verurteilt,
1.) es bei Meidung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen, die im Rahmen der Nutzung des Internetzugangs durch den Kläger diesem zugeteilten dynamischen IP-Adressen zu speichern, sobald diese nicht mehr für die Ermittlung der Abrechnungsdaten erforderlich sind,
2.) die ihr für die jeweilige Nutzung des Internetzugangs durch den Kläger übermittelten so genannten dynamischen IPAdressen zu löschen, sobald daraus das Abrechnungssystem die für die Abrechnung erforderlichen Daten ermittelt hat,
3.) die von ihr bisher im Rahmen der Nutzung des Internetzugangs durch den Kläger gespeicherten dynamischen IP-Adressen zu löschen, soweit sie zur Ermittlung der Abrechnungsdaten nicht mehr erforderlich sind.
Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt, unstreitig bestehe hinsichtlich der so genannten dynamischen IP-Adressen die Gefahr, dass diese in Verbindung mit anderen (der Beklagten zur Verfügung stehenden) Daten das Nutzerverhalten im Internet transparent machen und es ermöglichen könnten, einen Personenbezug herzustellen.
Bei den hier streitgegenständlichen Diensten handele es sich um Telekommunikationsleistungen. Die Beklagte halte zwar auch so genannte Teledienste vor, es gehe vorliegend aber im Wesentlichen um die Frage, ob die bloße Zurverfügungstellung einer Schnittstelle sowie die Übermittlung von Daten zum Internet als Telekommunikationsleistungen oder Teledienste einzustufen seien.
Da der Accessprovider selbst keine Inhalte, sondern nur Anschluss und Datenübertragung (Carrierdienste) anbiete, handele es sich um einen Telekommunikationsdienst gemäß § 3 Nr. 24 TKG.
Nach § 97 Abs. 3 TKG dürfe der Diensteanbieter für die Rechnungsstellung verschiedene Daten ermitteln. Dazu gehöre auch die unstreitig personenbezogene IP-Adresse. Nach Ende der Verbindung müsse er aus den Verkehrsdaten unverzüglich die zur Ermittlung des Entgelts erforderlichen Daten ermitteln.
Nur im Falle des § 100 Abs. 3 TKG – bei Vorliegen zu dokumentierender tatsächlicher Anhaltspunkte – dürfe der Diensteanbieter die Bestands – und Verkehrsdaten erheben und verwenden, um Leistungserschleichungen aufzudecken oder sonstige rechtswidrige Inanspruchnahmen zu unterbinden.
Im vorliegenden Fall habe die Beklagte eingeräumt, dass die Ermittlung der Rechnungsdaten nicht erst zum Zeitpunkt der Erstellung der Rechnung erfolge, sondern bereits einige Tage nachdem die Nutzungsdaten angefallen seien. Der sogen. Radiusserver der Deutsche Telekom AG (DTAG) übermittle in Intervallen von einigen Tagen jeweils die Verkehrsdaten an die Beklagte, die sodann die rechnungsrelevanten Daten ermittle, noch bevor die Rechnung erstellt werde. Demnach sei ab diesem Zeitpunkt die IP-Adresse nicht mehr zur Ermittlung der Abrechnungsdaten erforderlich.
Die Beklagte sei nach dem Wortlaut des § 97 Abs. 3 TKG auch nicht befugt, die Daten etwa zum Nachweis der Richtigkeit ihrer Abrechnung zu speichern. Denn mit diesem Argument könne die Beklagte dann letztlich alle erdenklichen Daten speichern.
Entsprechend § 16 Abs. 2 TKV treffe den Anbieter auch keine Nachweispflicht für Einzelverbindungen, die aufgrund rechtlicher Verpflichtung gelöscht worden seien. Weise die Beklagte im Streitfall einen Vertragschluss und das ordnungsgemäße Funktionieren des Abrechnungssystems nach, spreche der Beweis des ersten Anscheins für die Richtigkeit der Abrechnung. Dann treffe den Kunden analog § 16 Abs. 3 TKV die Beweislast, wenn er behaupten wolle, sein Internetzugang sei nicht in dem abgerechneten Umfang genutzt worden.
Auch habe der erkennende Richter noch kein Verfahren erlebt, bei dem zum Beleg der Richtigkeit der Abrechnung die IP-Adresse in einen Prozess eingeführt worden sei.
Auch für den Fall, dass man die streitgegenständlichen Leistungen der Beklagten als Teledienst einstufen wollte, ergebe sich nichts anderes.
Entsprechendes gelte für § 9 BDSG, der neben der TKV anwendbar sei. Nach dieser Vorschrift sei die Beklagte verpflichtet, technische und organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes zu treffen. Dazu sei aber die Speicherung der IP-Adressen nicht erforderlich. Zwar erleichtere die IP-Adresse die Zugriffskontrolle und sei auch zum Schutz gegen eine Vielzahl von Angriffen auf das System der Beklagten erforderlich. Aber damit werde der Anwendungsbereich des § 9 BDSG deutlich überschritten.
Außerdem stelle der in § 3 a BDSG normierte Grundsatz der Datensparsamkeit den besten Schutz vor missbräuchlichen Zugriffen dar.
Die Klage sei aber insoweit abzuweisen gewesen, als die Löschung jeglicher Abrechnungsdaten begehrt worden sei. Denn nach den detaillierten Darlegungen der Beklagten sei davon auszugehen, dass es eine Vielzahl von neben der Flatrate gesondert zu vergütender Nutzungsmöglichkeiten gebe.
Hiergegen wenden sich beide Parteien mit selbständigen Berufungen.
Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung die in erster Instanz gestellten Anträge unverändert weiter; er beantragt im Übrigen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass das Urteil des Amtsgerichts, soweit es der Klage stattgegeben habe, keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Inhaltlich sei das Urteil insoweit zu beanstanden, als die Erhebung von Anfang und Ende der Verbindung und des Datenvolumens sowie die Speicherung der IP-Adresse über das Verbindungsende hinaus weder zulässig noch erforderlich seien.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift verwiesen.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage – unter Zurückweisung der Berufung des Klägers – insgesamt abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass das Urteil an einem Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO leide, da in allen drei Ziffern des Hauptsachetenors etwas zugesprochen worden sei, was der Kläger nicht beantragt habe. Im Übrigen wiederholt die Beklagte im Wesentlichen den erstinstanzlichen Vortrag: Die Beklagte biete einen Teledienst an, der neben dem reinen Internetzugang eine Vielzahl kostenpflichtiger Zusatzdienste enthalte. Die Speicherung der Verkehrsdaten wie IP-Adresse, Datenvolumen, Anfang und Ende der Verbindung seien für die Erstellung der Rechnung, Verifizierung des Abrechnungssystems, die Vermeidung des Missbrauchs und die Beweisbarkeit der Rechnungsdaten sowie der fehlerfreien Leistungserbringung erforderlich. Insoweit gelte die Speicherfrist des § 6 Abs. 7 TDDSG. Auch bei Anwendung des TKG ergebe sicht kein anderes Ergebnis.
Die – zulässige – Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Keine Bedenken bestehen zunächst hinsichtlich der Zulässigkeit der mit der Berufung verfolgten Klageanträge, die identisch sind mit den in erster Instanz gestellten Anträgen.
Zwar hat das Amtsgericht dem Kläger – wie die Beklage im Rahmen ihrer Berufung zutreffend ausgeführt hat – mehr zugesprochen als von diesem beantragt worden war und damit gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Grundsätzlich kann auch davon ausgegangen werden, dass sich eine Partei, der mehr zuerkannt wird als beantragt, im Rahmen des Berufungsverfahrens den Ausspruch des erstinstanzlichen Gerichts zumindest hilfsweise als Antrag zu eigen macht (vgl. BGH, NJW 1999, S. 61 f. m.w.N.).
Hieraus würden sich im vorliegenden Fall Zulässigkeitsbedenken ergeben, da der Tenor der angefochtenen Entscheidung keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Er enthält unbestimmte zeitliche und inhaltliche Bedingungen. So heißt es im Tenor der Entscheidung:
„1. …sobald nicht mehr erforderlich….“, „ 2. ….sobald Daten ermittelt…“ und 3. „…soweit nicht mehr erforderlich…“.
Hierbei handelt es sich um unbestimmte Begriffe, bei denen der Streit der Parteien in das Vollstreckungsverfahren verlagert würde, zumal sich auch den Entscheidungsgründen nicht entnehmen lässt, wie die Begriffe „sobald“, „erforderlich“ und „sobald ermittelt“ auszufüllen sind.
Obwohl der Kläger die Zurückweisung der Berufung der Beklagten beantragt hat – was regelmäßig als Antrag auf Bestätigung der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang zu werten ist – , kann jedoch vorliegend ausnahmsweise nicht davon ausgegangen werden, dass er sich den Tenor der angefochtenen Entscheidung als Antrag zu eigen macht.
Hierfür spricht zunächst bereits, dass der Kläger selbst ausdrücklich im Rahmen der Berufung darauf hingewiesen hat, dass er das amtsgerichtliche Urteil für nicht vollstreckbar hält. Darüber hinaus hat der Kläger sein in zweiter Instanz verfolgtes Ziel auch eindeutig durch die Formulierung des Berufungsantrags – der eine vollständige Wiedergabe der erstinstanzlichen Anträge enthält – auf diese beschränkt. Schließlich hat der Kläger im Rahmen der Berufungsbegründung sowie der mündlichen Verhandlung vor der Kammer – nach Erörterung der vorstehend angeführten prozessualen Fragen – sein Klageziel nochmals konkretisiert und hierbei insbesondere hinsichtlich des Klageantrags zu 2) klargestellt, dass es ihm darauf ankommt, dass die IP-Adresse unmittelbar nach dem Ende der jeweiligen Nutzung, spätestens jedoch einen Tag später gelöscht werde; der vom Amtsgericht zuerkannte Anspruch auf Löschung zu einem unbestimmten, jedoch deutlich später liegenden Zeitpunkt entspricht daher nicht dem Prozessziel des Klägers.
Die Berufung des Klägers hat zunächst hinsichtlich des Klageantrages zu 1.) teilweise Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Erhebung und der Speicherung des bei der Internetnutzung übertragenen Datenvolumens.
Dies folgt bereits unmittelbar aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in Verbindung mit § 96 Abs. 1 Nr. 2 TKG.
Bei den Leistungen, die die Beklagte aufgrund des mit dem Kläger geschlossenen Vertrages über den Zugang zum Internet zu erbringen hat, handelt es sich um Telekommunikationsleistungen, auf die das Telekommunikationsgesetz (TKG) und mithin auch § 96 TKG anzuwenden ist.
Insoweit schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung der Sach– und Rechtslage den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sowie der im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens eingeholten Stellungnahme des Bundesbeauftragten für Datenschutz, Bl. 167 f. d. A., an.
Bei der oben genannten Leistung der Beklagten handelt es um einen Telekommunikationsdienst im Sinne des § 3 Nr. 24 TKG.
Denn die Beklagte vermittelt den Zugang zum Internet. Die Tätigkeit der Zugangsvermittlung besteht im Aussenden, Übermitteln und Empfangen von Daten mittels Telekommunikationsanlagen. Der Zugangsvermittler ist Diensteanbieter im Sinne des § 3 Nr. 6 TKG.
Auch die Zuordnung der IP-Adresse ist als Tätigkeit im Rahmen der Zugangsvermittlung anzusehen. Denn die IP-Adresse ist – vergleichbar einer Telefonnummer – notwendig, um den Telekommunikationsdienst „Internetzugang“ nutzen zu können. Der bisweilen vertretenen Auffassung, aufgrund des Wortlauts des § 2 Abs. 2 Nr. 3 TDG handele es sich um einen Teledienst („Angebote zur Nutzung des Internets oder anderer Netze“), lässt sich mit der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf für ein IuKDG (Informations – Kommunikationsdienste-Gesetz), Artikel 1 (BR-Drucksache 966/96 vom 20.12.1996, S. 21), nicht in Einklang bringen. Denn dort werden „Angebote zur Nutzung des Internets“ beschrieben mit Navigationshilfen (hierunter fallen z.B. Suchmaschinen). Solche Navigationshilfen sind von der Beklagten aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages nicht geschuldet.
Nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 TKG darf das Datenvolumen nur erhoben werden, wenn hiervon ein Entgelt abhängt; dies ist im Rahmen des oben beschriebenen Vertrag zwischen den Parteien nicht der Fall, so dass die Erhebung – und damit erst recht die Speicherung – des Datenvolumens vorliegend unzulässig ist.
Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Zurverfügungstellung eines Internetzugangs entsteht bei dem vereinbarten Tarif „T-Online dsl flat“ je nach Wahl der Zugangsart über ein Analog-Modem, einen ISDN-Anschluss oder über Handy bzw. bei der Einrichtung eines weiteren Nutzers ein zusätzliches, zeitabhängiges Entgelt. Volumenabhängige Entgelte sind nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag demgegenüber nicht geschuldet.
Soweit die Beklagte darlegt, sie biete eine Vielzahl von Diensten an, bei denen ein zusätzliches – z.T. volumenabhängiges – Entgelt anfalle, so ist dies für die Entscheidung ohne Belang. Denn diese Angebote sind nur im Rahmen weiterer, jeweils abzuschließender Vertragsverhältnisse nutzbar und dann entsprechend zu vergüten. Die vorliegende Klage betrifft demgegenüber, wie der Kläger von Anfang an ausdrücklich erklärt hat, ausschließlich das Vertragsverhältnis der Parteien über die Zurverfügungstellung eines Internetzugangs auf der Grundlage des Tarifs T-DSL Flat.
Bei diesem sind ausweislich der Leistungsbeschreibung/Preisliste der Beklagten, Anlage Bl. 36 f. d. A., keine volumenabhängigen Entgelte vorgesehen. Dem Umstand, dass sich die vorliegende Klage lediglich auf den genannten Vertrag bezieht, hat die Kammer zur Vermeidung von Unklarheiten bei der Vollstreckung durch die Formulierung des Tenors Rechnung getragen. Hierin liegt kein Teilunterliegen des Klägers, da dieser, wie ausgeführt, seine Anträge ausschließlich auf dieses Vertragsverhältnis beschränkt wissen will und bei einer etwaigen Inanspruchnahme kostenpflichtiger sonstiger Dienste selbst von einem Recht der Beklagten zur Speicherung der dann abrechnungsrelevanten Daten ausgeht.
Die Berufung des Klägers hat auch insoweit Erfolg, als die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger jeweils zugeordnete dynamische IP-Adresse unmittelbar nach dem Ende der jeweiligen Verbindung zu löschen.
Zunächst ist keiner der in § 96 Abs. 2 TKG genannten Tatbestände einschlägig, der eine Speicherung über das Ende der jeweiligen Verbindung hinaus erlauben würde.
Auch eine Speicherung nach § 97 Abs. 2 TKG kommt nicht in Betracht. Denn die IP-Adresse ist weder für die Entgeltermittlung noch die Entgeltabrechnung erforderlich. Dass die Beklagte dies ebenso sieht, ergibt sich aus dem von ihr gehaltenen Vortrag in erster Instanz, wonach sie selbst zugestanden hat, es sei möglich, ein System zu implementieren, welches die streitgegenständlichen Daten unmittelbar nach dem Ende der Verbindung lösche (vgl. Schriftsatz vom 13.01.2005, Bl. 21 d. A.). Diese Tatsache wurde vom Beklagtenvertreter im Rahmen der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt (vgl. Protokoll der Sitzung vom 07.12.2005, Bl. 484).
Auch zum Nachweis der Richtigkeit der Abrechnung ist eine Speicherung der IP-Adresse über das Ende der Verbindung hinaus nicht erforderlich.
Bei der dynamischen IP-Adresse handelt es sich unstreitig lediglich um eine vorübergehende Kennzeichnung des jeweiligen Nutzers im Internet, die diesem bis zum Ende der jeweiligen Verbindung zugeteilt ist und mit einem Postfach verglichen werden kann. Fordert ein Nutzer von einem in das Internet eingebundenen Computersystem Daten an (z. B. Suchanfrage an eine Suchmaschine), so muss dieses System (Suchmaschine) wissen, an wen die Daten (Suchergebnis) im Internet gesandt werden sollen (an den anfragenden Nutzer). Nur über die IP-Adresse ist eine Zuordnung der Daten zu dem Nutzer möglich, der diese angefordert hat.
Soweit die Beklagte zur Erläuterung ausführt, anhand der gespeicherten Daten (also auch der IP-Adresse) könne sie die Inanspruchnahme kostenpflichtiger Dienste sowie die Fehlerfreiheit der Abrechnung feststellen, so ist dies aufgrund der vorstehend geschilderten technischen Funktion der IP-Adresse für die nach dem streitgegenständlichen Vertrag zu erbringenden Leistungen nicht nachvollziehbar.
Auch nach der Stellungnahme des Bundesbeauftragten für Datenschutz ist die Speicherung der IP-Adresse für Abrechnungszwecke regelmäßig nicht erforderlich. Vielmehr kann eine Zuordnung der Verkehrsdaten zum Kunden auch über den Benutzernamen (sogen. Nutzer-ID) oder die Telefonnummer erfolgen.
Zu dieser gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eingeholten amtlichen Auskunft, die den Parteien im Verfahren erster Instanz mehr als einen Monat vor der mündlichen Verhandlung zugeleitet wurde, hat die Beklagte keinen substantiierten Vortrag gehalten.
Die Fehlerfreiheit der von ihr erbrachten Leistungen kann die Beklagte nach ihrem eigenen erstinstanzlichen Vortrag vielmehr allein mit dem Datum „Anfang und Ende der Verbindung“ nachweisen (vgl. Schriftsatz vom 13.01.2005, S. 7, Bl. 22 d. A.). Soweit die Beklagte im Rahmen der Berufungsinstanz erstmals behauptet hat, die Fehlerfreiheit der Leistungserbringung sei nur anhand von Datenvolumen und Anfang und Ende der Verbindung möglich, so war dieser neue Vortrag nicht mehr zu berücksichtigen (§ 531 Abs. 2 ZPO).
Ein Recht der Beklagten zur Speicherung der IP-Adresse über das Ende der Verbindung hinaus ergibt sich auch nicht aus § 97 Abs. 1 S. 2 TKG. Danach dürfen dem Diensteanbieter (hier die Beklagte), der seine Dienste über ein öffentliches Telefonnetz eines fremden Betreibers erbringt (hier die DTAG), die für die Erbringung von dessen Diensten erhobenen Verkehrsdaten übermittelt werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass nach § 96 Abs. 2 S. 2 TKG die nicht erforderlichen Daten nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen sind.
Soweit die Beklagte die Verkehrsdaten nicht selbst ermittelt, sondern sich hierzu der Dienste Dritter (DTAG) bedient, so hat sie sicher zu stellen, dass ihre Erfüllungsgehilfen den Datenschutz in entsprechender Weise beachten.
Auch die von der Beklagten angeführten Regelungen in § 100 Abs. 1 und Abs. 3 TKG bieten keine rechtliche Grundlage für die von ihr durchgeführte generelle Speicherung der IP-Adresse.
Nach § 100 Abs. 1 TKG darf der Diensteanbieter, soweit erforderlich, zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern an Telekommunikationsanlagen die Bestandsdaten und Verkehrsdaten der Teilnehmer und Nutzer erheben und verwenden. Nach Abs. 3 kann der Diensteanbieter bei Vorliegen zu dokumentierender tatsächlicher Anhaltspunkte die Bestandsdaten und Verkehrsdaten erheben und verwenden, die zum Aufdecken sowie Unterbinden von Leistungserschleichungen und sonstigen rechtswidrigen Inanspruchnahmen der Telekommunikationsnetze und -dienste erforderlich sind.
Es handelt sich bereits nach dem Wortlaut der Regelungen um vorfallsbezogene Maßnahmen, die die von der Beklagten durchgeführte generelle Speicherung aller Verkehrsdaten aller Kunden nicht erlaubt.
Schließlich rechtfertigt auch der von der Beklagten beanspruchte § 9 BDSG nicht die Speicherung der IP-Adresse über das Ende der Verbindung hinaus.
Auch hier kann auf die bereits angesprochenen Ausführungen des Bundesbeauftragen für Datenschutz verwiesen werden, der übliche Verfahren wie die Verwendung der Kunden-ID oder Telefonnummer anstelle der IP-Adresse nach dem Ende der Verbindung aufgezeigt hat; eine Beschränkung auf diese – ohnehin vorhandenen – Daten – entspricht auch dem vom Amtsgericht zutreffend dargelegten Grundsatz des Datensparsamkeit (§ 3 a BDSG).
Die Beklagte hat es nicht darzulegen vermocht, warum die zusätzliche Speicherung der IP-Adresse über das Ende der jeweiligen Verbindung hinaus die Datensicherheit erhöhen soll.
Die Bedenken der Kammer betreffend die teilweise unzureichenden Darlegungen der Beklagten hinsichtlich der Notwendigkeit der Speicherung der IP-Adresse wurden ausführlich im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert. Auch der auf den entsprechenden Hinweis hin gehaltene weitere Vortrag der Beklagten im Termin, der wiederum Gegenstand ausführlicher Erörterung war, rechtfertigt keine andere Sichtweise.
Soweit die Beklagte weiterhin ausführt, bei Einwendungen des Kunden sei eine Zuordnung der jeweiligen IP-Adresse zum Nutzer erforderlich, um die Einwendungen zu bearbeiten, so handelt es sich hierbei um die Wiederholung des bereits schriftsätzlich gehaltenen Vortrages. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.
Soweit die Beklagte im Termin ausgeführt hat, es gehe auch um die Nachweisbarkeit im Verhältnis zu Dritten, also Vertragspartnern der Beklagten, die in die Leistungserbringung eingeschaltet seien, so ist dies unerheblich. Denn, wie bereits ausgeführt, ist bereits im Verhältnis zwischen den Parteien nicht ersichtlich, dass die IP-Adresse über das Ende der jeweiligen Verbindung hinaus erforderlich wäre. Dann ist es ebenso wenig nachvollziehbar, warum dieses Datum im Verhältnis zu in den in die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung eingeschaltete Dritte erforderlich sein soll. Jedenfalls liegt es an der Beklagten, bei einer Einschaltung Dritter ihre vertraglichen Beziehungen zu diesen so auszugestalten, dass hierdurch nicht in Rechte ihrer Kunden eingegriffen wird.
Entsprechend den Ausführungen zu den Klageanträgen zu 1.) und 2.) hat der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Löschung der bereits gespeicherten IP-Adressen sowie der Datenvolumina der von ihm in der Vergangenheit genutzten Internetverbindungen.
Die weitergehende Berufung des Klägers war zurückzuweisen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Löschung des Datums „Anfang und Ende der jeweiligen Verbindung“.
Denn nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag können, wie bereits ausgeführt, je nach Zugangsart oder Einrichtung von Mitbenutzern zeitabhängige Entgelte entstehen, die anhand von Anfang und Ende der Verbindung ermittelt werden müssen. Demnach darf dieses Datum erhoben und über das Ende der Verbindung gespeichert werden. Auch zu Beweiszwecken darf es gemäß § 97 Abs. 2 TKG bis zu der in Abs. 4 geregelten Höchstdauer – die die Beklagte unstreitig unterschreitet – gespeichert werden.
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Nachdem nach der Entscheidung der Kammer zur Berufung die Beklagte eine im Vergleich zur angefochtenen Entscheidung weitergehende Pflicht zur Löschung der IP-Adressen trifft, folgt daraus die Erfolglosigkeit ihrer Berufung; insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Bei der getroffenen Kostenquote ist davon auszugehen, dass für das Datum IP-Adresse ein Anteil von 50% und hinsichtlich der übrigen Daten von je 25% am Streitwert anzusetzen waren.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Die im vorliegenden Falle entschiedene und bisher nach Kenntnis der Kammer obergerichtlich ungeklärte Rechtsfrage der Einstufung der Dienste der Beklagten als Telekommunikations – oder Teledienst rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht.
Denn ein Interesse der Beklagten an der Zulassung der Revision wegen der von der Kammer getroffenen Einstufung ist nicht ersichtlich.
Für die hier im Streit stehenden Erlaubnistatbestände hinsichtlich der Erhebung und Speicherung von Verkehrsdaten ist eine abweichende Regelung im TDG und TDDSG nicht erkennbar. So regelt § 6 TDDSG teilweise wortgleich die in §§ 97, 100 TKG geregelten Erlaubnisse. Diese rechtliche Einschätzung wird auch von der Beklagten geteilt (vgl. Berufungsbegründung vom 05.10.2005, Bl. 418 ff, 454 d. A.).
Im Übrigen basiert die Entscheidung, soweit die Beklagte beschwert wurde, auf reinen Tatfragen, die eine Revisionszulassung nicht rechtfertigen, da insoweit klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen könnte, nicht ersichtlich sind.
Soweit die Berufung des Klägers keinen Erfolg hat, beruht die Entscheidung ebenfalls nicht auf einer im Wege der Revision zu klärenden Rechtsfrage, sondern auf der tatrichterlichen Würdigung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien.
Zur Frage der rechtlichen Einstufung der hier streitgegenständlichen Vorgänge als Telekommunikation kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.
Hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes schließt sich die Kammer den überzeugenden Ausführungen des Amtsgericht an und macht sich diese zu eigen.
« Zypries legt Strafzumessungsregel für Kauf im Internet – Widerrufsrecht »